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Inhalt

[Cover]

Titel

Der Alte Garten

Eine leicht sentimentale Einleitung über die allgemeine Freude an der Natur

Erster Teil

Die Päonie der Chinesen und die Lotusblume der Ägypter

Die Lotusblume als größtes Symbol indischer Kultur

Die sakrale Lilie

Gärten in Vorderasien

Griechenland

Die Gärten des Osiris und des Adonis und die Sagen vom Ursprung der Blumen

Der Beginn der Botanik

Zweitausend Jahre Bestseller

Aristoteles, ein freier Schriftsteller

Ein kleiner Einschub zur Geschichte unserer Epoche

Rosen in Rom: Vom rauen Römertum zur Rosennarretei

Die römischen Gärten

Bedeutungswandel der Rosen, Florafest und 1. Mai

Die geheimnisvolle Rose

Die Rose bei den alten und neuen Germanen – Rosmarin

Vom inneren Hof der Ägypter zum Patio der spanisch sprechenden Welt

Beschäftigung mit der Natur im griechischen Ostrom

Im Westen wird die Beschäftigung mit der Natur verdächtig

Gärten und Blumen im frühen Mittelalter

Frankreich, die Heimat der modernen Rose

In Salerno beginnt eine Renaissance

Friedrich II., Roger Baco, Albertus Magnus

Renaissance

Renaissancegärten

Die Blumenentdecker der Renaissance

Das große Trio: Dodoens, L’Ecluse, L’Obel

Gärten um 1600

»Die Girlande der Julia« oder Das Meisterwerk der Galanterie

Die Sammlung von Blumenmalereien im Naturkundemuseum von Paris

Le Notre und die Verbannung der Blumen in den Küchengarten

Die Tulpenwut

Die Hyazinthe

Die Nelke

Die Botanik bis Linné

Englischer contra französischer Garten

Das Ende des 18. Jahrhunderts und das Missbehagen an der Lebensfreude

Editorische Notiz

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

[Leseprobe – Das Jahr des Gärtners]

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Der Alte Garten

Kaiserkron’ und Päonien rot,

Die müssen verzaubert sein,

Denn Vater und Mutter sind lange tot,

Was blühn sie hier so allein?

Der Springbrunn plaudert noch immerfort

Von der alten schönen Zeit,

Eine Frau sitzt eingeschlafen dort,

Ihre Locken bedecken ihr Kleid.

Sie hat eine Laute in der Hand,

Als ob sie im Schlafe spricht,

Mir ist, als hätt’ ich sie sonst gekannt –

Still, geh vorbei und weck sie nicht!

Und wenn es dunkelt das Tal entlang,

Streift sie die Saiten sacht,

Da gibt’s einen wunderbaren Klang

Durch den Garten die ganze Nacht.

Eichendorff

Eine leicht sentimentale Einleitung über die allgemeine Freude an der Natur

Irgendwo wird es immer Gärten gegeben haben. Wo eine Kultur wächst, ordnet der Mensch das Wildwachsende. Wo man über die Not hinaussieht, wo der Hunger gestillt, die Blöße bedeckt ist und das schützende Dach dem Regen besser wehrt als Höhle und Erdloch, da beginnt der Mensch, das Überflüssigste dieser Erde liebevoll zu bedenken, und er begießt die weder Nahrung noch Kleidung spendenden Blumen.

In einem Garten zu sitzen, das ist ein Traum, der Traum vom Ruhen und Rasten, wenn des Tages Werk getan, wenn der Woche Werk getan, wenn des Lebens Werk getan.

Es ist noch mehr. Ob Kriege die Städte zerstört und Mensch gegen Mensch gehetzt – der Überlebende findet immer im Frühling den aufbrechenden Samen, Körnchen und Fäden und manchmal sogar eine Zwiebel, im geschäftigen Erdreich verborgen, oder am Treffpunkt von Blatt und dem dürre scheinenden Zweig die Knospen in der klebrigen Hülle, wartend auf Wärme, auf Sonne, auf längere Tage oder, im Wüstengürtel der Erde, auf Regen. Wer jedes Kommende pflegt, ihm Platz schafft und es tränkt, der ist vor Enttäuschung bewahrt. Dankbar ist alles Wachsende für Pflege und Liebe, und ein blühender Sommer erwartet den sorgenden Gärtner, und der säende Mensch fühlt sich Gott gleich, wenn er erlebt, dass der Samen aufgeht.

Denn die Pflanzen sind das Wichtigste auf der Welt. Sie bedürfen des Menschen nicht. Aber der Mensch könnte nicht leben ohne die Pflanzen, und so begann es: »Und Gott sprach: Es lasse die Erde Gewächse sprossen, Kraut, das Samen bringt und Fruchtbäume nach ihrer Art, die Frucht tragen, worin ihr Samen ist, auf der Erde!« »Und es pflanzte Gott, der Herr, einen Garten in Eden gegen Osten. Und da ließ Gott, der Herr, aufsprossen aus dem Erdboden allerlei Bäume, lieblich zum Ansehen und gut zum Essen. Es war aber der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und ein Strom ging aus von Eden, den Garten zu bewässern …« Und die Menschen liebten ihre Gärten, die sie an den Garten Eden erinnerten, und die Blumen, die darin wuchsen, zu allen Zeiten und in allen Ländern.

Die Ägypter hatten eine blaue Seerose um ihren Arm gewunden, wenn sie ihren Göttern Blumen als Opfer darbrachten. Die Buddhisten legen Blumen vor das Bild des Buddha. Die Azteken schmückten ihre Tempel, in denen sie den Gefangenen das Herz bei lebendigem Leibe herausrissen, mit Blumen. Die Chinesen legen Blumen auf ihre Altäre. In allen Kirchen der Welt stehen Blumen.

Das persische Wort für Garten, aus welchem sich unser Wort Paradies entwickelte, kam durch Xenophon nach Griechenland. Paradies und Garten bedeuten also dasselbe. Paradies ist kein Synonym für die Liebe oder die Freuden der Jugend, für den Tanz oder die Landschaft aus Berg und Tal und sich windendem Fluss. Es bedeutet nichts anderes als Garten. Das Glück des Jenseits besteht auch im Koran darin, in einem entzückenden Garten zu sitzen.

Die Chinesen sagen: »Willst du eine Stunde glücklich sein, dann betrinke dich! Willst du drei Tage glücklich sein, dann nimm ein Weib! Willst du drei Monate glücklich sein, dann schlachte ein Schwein und iss es in drei Monaten auf! Willst du das ganze Leben glücklich sein, dann werde ein Gärtner!«

»Glück ist, in beiden Händen Blumen zu halten«, sagt man in Japan.

Thomas Morus sah schon, wie wichtig ein Garten für die kleinen Leute ist, und er beschrieb in seinem Zukunftsroman Utopia (1551), wie er sich die neue Lebensweise vorstellte: »Jedes Haus soll hinten einen großen Garten haben und einen Vorder- und einen Hinterausgang. Wer will, soll in jedes Haus gehen können, denn nichts in dem Haus ist Privateigentum. Alle zehn Jahre werden die Häuser neu verlost. Den Bewohnern sind ihre Gärten sehr wichtig, in denen sie Weinlauben haben und alle Arten von Obst, Gewürzen und Blumen wachsen. Sie sind so prachtvoll gehalten, wie ich es nirgends sonst gesehen habe, nicht nur, weil den Leuten die Gartenarbeit Spaß macht, sondern weil ein Wetteifer entstanden ist zwischen Straße und Straße, wer seinen Garten am besten hält.«

Vieles, was der edle Thomas Morus erträumte, ist in England verwirklicht worden. Denn der Sozialismus in England ist nicht aus dem Kopf von Karl Marx entsprungen wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus, sondern hat Wurzeln, die tief in die Vergangenheit hinabreichen, und zu dieser Vergangenheit gehören die Bibel und die Utopia des Thomas Morus. In ganz England stehen kleine Häuser, die einen Vorder- und einen Hinterausgang haben und einen Vorder- und einen Hintergarten. Die Gärtnerei nimmt einen großen Platz im Leben ein, und ein Wetteifer ist entstanden, wer seinen Garten am besten hält.

Aber nicht nur Durchschnittsmenschen, sondern auch die, die ein an Genüssen und Taten reiches Leben hatten, denen der Erdball nicht zu genügen schien, finden am Ende Glück oder doch Trost im Säen und Beschneiden. Napoleon beschäftigte sich auf St. Helena mit Gartenarbeit. Als Fazit eines Lebens, das eine Suche nach Erfolg, Geld, Liebe war, aber nichts brachte als Totschlag, Flucht, Gemeinheiten aller Art, ließ Voltaire seinen Candide sagen: Il faut cultiver notre jardin. »Gärtner Voltaire« nennen ihn die Franzosen, ihn, der auch das Fazit seines eigenen Lebens derart zog: »Ich habe viel gelesen und nur Unsicherheit, Lügen und Fanatismus gefunden. Ich bin beinahe so klug, was das Wesentliche angeht, wie ich als Säugling war. Ich ziehe es vor, zu pflanzen, zu säen, frei zu sein.«

Es ist nur natur-gemäß oder garten-gemäß, dass Gärtner älter werden als andre Leute. Der große Le Notre, der den Mut hatte, die Natur umzuschaffen, der Landschaften schuf nach seinem Willen, wurde fast neunzig. Der alte Castor, bei dem sich Plinius über Pflanzen unterrichtete, wurde über hundert Jahre alt. Mr. Russel, der die Russel-Lupinen züchtete, pflanzte noch, als er dreiundneunzig war. Bernhard Shaw, der Gärtnerfreuden und Krautessen mit einem beizenden Witz, den man städtisch zu nennen gewohnt ist, zu verbinden verstand, starb an einem Unfall, den er sich zuzog, als er allzu eifrig eine Hecke beschnitt. Auch der Gärtner Lakeman, der Charles Darwin mit seinen Beobachtungen fast dreißig Jahre lang half, starb sechsundneunzig Jahre alt. Er hatte seinen Morgentee im Bett getrunken und seinem Gehilfen sagen lassen, er möge die Tulpen ausgraben, um für die Federnelken Platz zu machen, und dann ein bisschen hacken – als er sich zurücklegte und starb.

Es wäre ja auch höchst seltsam, wenn die Menschen nicht in allen Ländern und zu allen Zeiten Gärten geliebt hätten. Denn ganz nahe ist das menschliche Leben dem Gartenjahr verwandt. Im Februar wird der Mensch geboren, im März verbringt er das erste Jahrzehnt seines Lebens bis zum vierzehnten Jahre, in dem er in den April tritt als ein blühendes Wesen, das dann im Mai Hochzeit feiert. Der Juni ist sein drittes Jahrzehnt, und vierzig ist er im Juli. Dann kommen der August und der September, die Ernte des Lebens, das Sammeln für Küche und Keller, und noch einmal das Bunte, das Abschiednehmen in Weisheit. Oktober, das sind die Sechzigerjahre. Dann kommen der November und der Dezember, Siebzig und Achtzig, das leise Vertrocknen an Körper und Geist, bis Stille einzieht. Und der Mensch und die Natur im Januar enden im weißen Totenhemd.

G.T.

Erster Teil

Die Päonie der Chinesen und die Lotusblume der Ägypter

Pflanzen waren von Anfang an wichtig als Nahrungsmittel, als Heilmittel und um böse Geister zu vertreiben. Blumen als Schmuck des Daseins kamen erst, als das Leben gesichert war und Reichtum solchen Luxus erlaubte. Im römischen Latium rissen die Bauern die Olivenbäume aus und säten keinen Weizen mehr, sondern legten Rosenfelder an. Dasselbe taten die Bauern der Riviera im 19. Jahrhundert. Während der Han-Dynastie in China (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.) wurden die Gärten so groß, dass Hungersnöte drohten. Genauso beschwerten sich die Augsburger 1594, dass ihnen die Blumengärten der Fugger zu viel Platz von ihren Gemüsegärten wegnähmen. In der Not geschieht es dann umgekehrt, die Gärten werden in Gemüsefelder verwandelt, wie im Dreißigjährigen Kriege, oder wie wir selber es in unserm kriegsfreudigen Jahrhundert erlebt haben.

Vor 5000 Jahren gab es schon Gärten in China: Höhen, von denen Wasser herunterstürzte, Brückchen von wenigen Metern, blumenbedeckte kleine Felseninseln, »Inseln der ewigen Jugend« und »Inseln des unendlichen Glücks«, glöckchenbehängte Pagoden am weiten Wasser, und Goldfasan und Silberfasan und Pfau. Kaiser Chin Ming (2737–2697 v. Chr.) begann, sich mit der Blumenpflege zu beschäftigen. In den Tempelgärten von Peking gibt es Päonien, die Hunderte von Jahren alt sind. Vor 1400 Jahren gaben die Chinesen der Päonie ihren Namen. Varianten wurden sehr hoch bezahlt. Ein Exemplar wurde für hundert Goldunzen verkauft. Plinius, der uns alle Tatsachen über die Natur, die den Römern bekannt waren, überliefert hat – er wurde 79 n. Chr. in Pompeji verschüttet, weil er den Ausbruch des Vesuvs allzu nah beobachten wollte –, nennt sie die älteste aller kultivierten Blumen. Ob er recht hat, wissen wir nicht. In Europa begann man sich mit der Veredlung von Blumen nicht vor dem 17. Jahrhundert zu beschäftigen, aber in Japan und China ist diese Kunst Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende früher geübt worden, und Astern und Chrysanthemen, Kamelien, Nelken und Rosen waren hochgezüchtete veredelte Pflanzen, als sie im 17. und 18. Jahrhundert nach Europa kamen.

Im alten Ägypten wurde das Gänseblümchen Ostara, der Göttin der Auferstehung der Natur, geweiht. Vergissmeinnicht und Butterblume in Emaille bildeten Diademe. In den Grabkammern hat man längliche Sträuße aus allen möglichen Feld- und Gartenblumen gefunden, aus Malven, Jasmin, Rittersporn und gelblicher Akazie. (Es ist überhaupt eine erstaunliche Tatsache, dass im östlichen Mittelmeergebiet eine Menge unsrer weißen Blumen nur gelb zu finden sind, zum Beispiel Margeriten.) Diese ährenförmigen Grabkammersträuße wurden hergestellt, indem man die Blumen und Blätter um einen Stab anordnete und mit Baststreifen umwickelte. Noch heute werden im Orient Sträuße so gebunden.

Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung, erwähnt als ägyptische Blume nur die Lotusblume, die blaue, duftende Seerose, Geschenk des Nils, heilige Pflanze, die in keinem Opfer für die Götter fehlen durfte. Ihr hieroglyphisches Wortbild stand für das ganze Land Kemi, d.h. Ägypten. Kemi hieß auch die schwarze, fette Erde der Nilüberschwemmungen.

Die Lotusblume war die Allerweltsblume, Schmuck der Räume, Girlande, Strauß für Vasen, Vasen, die sogar die Form des Füllhorns hatten. In Krügen aus gebranntem Ton, auf die oft auch Lotusblumen gemalt waren, steckte in jedem der zwei bis drei engen Hälse eine Lotusblume. Sie wurde gemalt, gemeißelt, bildete die Säulenkapitäle. Liebende sandten sie einander, man trug sie, aus Holz geschnitzt und aus Ton gebrannt, als Amulett auf der Brust. Blaue Türkise wurden für Schmuckstücke in der Form von Lotusblumen in Gold gefasst.

In Ägypten brachte man nicht der Gastgeberin Blumen mit, sondern ein Diener überreichte den eintretenden Gästen eine Lotusblume. Lotusblumenkränze wurden ihnen um den Hals gehängt und auf den Kopf gesetzt. Eine einzelne Lotusblüte schmückte manchmal das schwarze Haar einer Dame. Die Gäste hielten eine Lotusblume in den Händen und saßen in Räumen, wo Vasen mit Lotusblumen die wichtigsten Möbel waren. Die Diener servierten nicht nur das Essen, sie brachten auch mit jedem Gang neue Blumenkränze und zum Nachtisch wohlriechende Salben.

Wie ein ägyptischer König sich durch sein freundliches Herz und durch Blumen um seinen Thron brachte, berichtet uns ein Alexandriner. Amasis, ein Mensch von niedriger Herkunft, ein Freund des Tyrannen Polykrates von Samos, schickte dem König Patarmis von Ägypten zum Geburtstag einen Kranz aus den prächtigsten Frühlingsblumen. König Patarmis war begeistert, lud Amasis ein, befreundete sich mit ihm und sandte ihn mit einem Heer gegen rebellische Truppen. Diese aber wählten Amasis zum König.

Der sehnlichste Wunsch der Ägypter war, eine leuchtende Lotusblume zu werden im Garten des Sonnengottes Ra. Am Tempel von Denderah steht:

Die Erde ist in Freude. Die Bewohner von Denderah sind trunken von Wein, ein Kranz von Blumen ist auf ihren Häuptern.

Die ägyptischen Priester, die eifersüchtig ihre Tempelgeheimnisse hüteten, waren große Chemiker und Ärzte. Dass die Christrose Wahnsinn heile – ein weitverbreiteter Glaube bis tief in die Neuzeit –, behauptete der gleiche Arzt, der zu Moses’ Zeiten dem König von Ägypten Eisenrost zu essen gab und ihn damit kurierte. Man bestreute seine Häuser mit der Christrose, um sie gegen böse Geister zu schützen, und segnete das Vieh damit. In einem Papyrus aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. wird auch schon der Krokus, der den Safran liefert, als Mittel gegen Frauenkrankheiten, als Herz- und Augenheilmittel erwähnt. Eine alte ägyptische Blume ist auch die Iris. Moses wurde in einem Irisgebüsch aufgefunden.

Die Gärten des alten Ägypten waren Innenhöfe oder Innengärten. Aber Reihen von Bäumen umschlossen auch oft das Haus und einen davorliegenden Teich, einen Teich mit Lotusblumen und Wasservögeln und vielerlei Fischen. Manchmal waren die Teiche so groß, dass sie mit Gondeln befahren werden konnten. Sie wurden durch Kanäle vom Nil gespeist. Bunt bemalte Lusthäuser und Weinlauben und Feigenbäume standen an ihren Ufern.

In einem Papyrus spricht ein alter Schreiber:

Du hast dir ein bewässertes Grundstück angelegt, du hast dein Gartenland mit Hecken umgeben. Sykomoren hast du in Reihen gepflanzt, wohl sie ordnend auf dem ganzen Gebiet bei deinem Hause, du füllst deine Hand mit allen Blumen, welche dein Auge erschaut. Es gab herrliche Gartenanlagen in Ägypten. Der bunt bemalte Tempel zu Luxor mit seinen vergoldeten Säulen und Toren, seinen mit Silber ausgelegten Fußböden stand inmitten von Palmen und tropischem Gewächs und Geblüh, und die mit Kupfer gedeckten Obelisken leuchteten rot darüber hin. Und das alles spiegelte sich im Tempelsee. Mitten durch die Anlage führte eine Doppelreihe von steinernen Widdern und Dattelpalmen. Diese prunkvolle Anlage bestand über ein Jahrtausend. Unter Ramses III. waren allein zur Pflege der Tempelgärten in Theben achttausend Sklaven erforderlich.

Die Lotusblume als größtes Symbol indischer Kultur

Dr. V. Raghavan, Professor für Sanskrit an der Universität von Madras, hat auf meine Bitte, mir die Bedeutung der Lotusblume im indischen Leben zu erklären, Folgendes gesandt, das ich mit vielem Dank für die Mühe und Zeit, die ein bedeutender Gelehrter für meine bescheidenen Zwecke aufwandte, hier mitteile:

»Das größte Symbol der indischen Kultur ist die Lotusblume. Wenige Gebilde haben die Fantasie der indischen Denker, Philosophen oder Ästheten so beflügelt wie diese herrliche Blume. Diese indischste aller Blumen war das Maß der Dinge. Sie inspirierte zu Gedanken über die Schönheit und das All. In ihr spiegelt sich die Welt. Ihre große Blüte, die meist rosa, aber manchmal auch weiß ist, füllt nicht nur die indischen Gewässer, sondern jede Seite der indischen Literatur.

Das Universum selbst erblühte aus der Urlotusblume. Denn als Gott Wischnu, die einzige Gottheit, auf dem Wasser der Flut lag, die alle Schöpfung überschwemmt hatte, erblühte aus seinem Nabel eine Lotusblüte, in welcher der erste Schöpfer, Gott Brahma, erschien, der sich bereit machte, die Welt zu erschaffen.

Sehr früh schon sprechen die Veden vom Herzen oder der inneren Tiefe unseres Wesens als der Form einer Lotusblume, die vom Geist bewohnt wird. Das Herz, der Wohnsitz des Gottes, wird immer die Lotusblume des Herzens genannt.

In den Geheimwissenschaften wird angenommen, dass der Mensch sechs Energiezentren, vom Unterleib angefangen bis zum Kopf, besitze. Die Aufgabe von Yoga ist, die Energie, die in den unteren Zentren ruht, durch die vier mittleren Zentren bis zum höchsten zu erheben, das im Kopf sitzt und als der tausendblättrige Lotus beschrieben wird, aus der durch die Energie aller Zentren der Nektar der Unsterblichkeit fließt, und der Geist ist so in unaussprechliche Freude getaucht. Die fünf unteren Zentren werden auch als Lotus bezeichnet.

Für sein geistiges Streben gibt der Hinduismus eine Anzahl Formeln von geheimer Bedeutung. Mit den meisten gehen Bilder, bei denen fast immer der Mittelpunkt eine aufgeblühte Lotusblume ist. In jedem Blütenblatt ist ein Buchstabe der geheimen Formel verborgen mit der wesentlichen Silbe im Zentrum der Lotusblume, der Schale ihrer Staubgefäße. Eine der Yogaübungen wird nach dem Lotus padma-asana genannt.

In der indischen Architektur und Dekoration kehrt ebenfalls kein Motiv so oft wieder wie die Lotusblume.

Wie weder Dorf noch Stadt für vollkommen angesehen werden ohne Fluss oder Wasser, so wird kein Wasser für vollkommen angesehen ohne Lotus. Jedes Wassergefäß wird puschkarini genannt, Lotusgefäß.

Die goldenen Strahlen der Sonne, die die stillen Wasser berühren, und die Lotusblume, die bei dieser Berührung erwacht und erblüht, geben eine Szene, die die ganze indische Literatur durchzieht. Diese Szene ist das Urbild allen Erwachens und Erblühens zu Anmut und Schönheit. Ja, die Sonne selbst hat den Namen Freund oder Liebhaber der Lotusblume, und sowohl Lotusblume wie Sonne sind Symbole der ewigen Liebe, die keine Entfernung verringern kann.

Erlesene Geschöpfe, wie die Schwäne, die den Geist und die höchste Seelenstufe verkörpern, werden von der Lotusblume angezogen.

In der indischen Ästhetik herrscht die Lotusblume unbestritten. Es gibt keinen Aspekt der Schönheit, für den sie nicht herangezogen würde. Bei einem schönen Wesen werden die Füße, die Hände, das Gesicht, die Augen, der Teint mit der Lotusblume verglichen. Die Anmut der Blume macht sie zum wesentlichen Gleichnis für das Gesicht, besonders für die Augen. In Abhandlungen über die Liebe werden die Frauen in vier Typen eingeteilt. Der verfeinertste Typ wird der Lotusblume gleichgestellt und Lotusdame, padmini, genannt, deren Atem den sanften Duft der Lotusblume hat.

Die Göttin der Schönheit und des Reichtums ist im Hinduismus in der Lotusblume angesiedelt, sie hält die Lotusblume, ja, ist selber die Lotusblume padmasana, padmavati, Padma oder kamala.

Der Quell aller Schönheit ist der große Gott selbst, der – wie zu Beginn gesagt – die Lotusblume in seinem Nabel trägt, er, der die ganze Welt zur Ergebenheit und Liebe zu Ihm führt. Er ist der Lotusäugige, dessen Blick den Gesegneten in seinen Bann zieht, den pundarikakscha.«

So weit Professor Raghavan.

»Ich will die Lampe mit Öl füllen, die auf deinem Nachttisch brennt«, sagt der Diener zur Königin in einem Gedicht von Tagore, »und ich will deinen Schemel mit Sandal und Safran schmücken.«

»Und was willst du als Lohn haben?«

»Die Erlaubnis, deine kleinen Hände zu halten, wie zarte Lotusblüten und Blumenketten über dein Handgelenk zu streifen.«

»Deine Bitten seien dir gewährt, du sollst der Gärtner meines Blumengartens sein.«

Die sakrale Lilie

Den Ägyptern und allen vorderasiatischen Völkern war die Rose unbekannt. Die »Rose« bei Jesaja ist einer der vielen Lutherischen Übersetzungsfehler. Es können Narzisse, Fritillaria oder Herbstzeitlose gemeint sein. Susanna, ein hebräischer Name, der mit »Rose« übersetzt wurde, bedeutet Lilie, ebenso wie der Name der Stadt Susa in Persien vom Lilienreichtum der Gegend kommt. Die ersten Abbildungen von Lilien finden sich auf einem Wandgemälde in Amnisos, dem Hafen von Knossos (1550 v. Chr., vielleicht sogar 1750–1600 v. Chr.). Die »Lilien auf dem Felde« sind tatsächlich Lilien, obgleich Generationen von Bibelforschern und Botanikern angenommen haben, dass es sich um Anemonen handle; neue Forschungen der botanischen Abteilung der Universität Jerusalem ergaben, dass es doch Lilien (lilium candidum) waren. Andererseits ist die »Rose von Scharon« eine Wildtulpe (tulipa saronensis).

Die Lilie war schon in Assyrien das Symbol des Königtums, sie kommt bei Moses und in den Evangelien vor, bei Homer, bei Plinius und bei Vergil. Sie wurde das Symbol des römischen Thronfolgers, das Symbol der Hoffnung. Auf römischen Münzen mit dem Kopf des Thronfolgers befinden sich Lilien und die Worte: Spes populi Romani (Hoffnung des römischen Volkes). Die Säulen des Tempels in Jerusalem hatten Lilien- und Granatapfelkapitäle. Die Lilie war der Schmuck der Leuchter im Heiligtum, und der Stab des Engels der Verkündigung war schon in der byzantinischen Kunst mit einer Lilie gekrönt. Oberon und die Elfen halten sie als Zauberstab in den Händen.

Die Lilie hat sich nie verändert. Sie sieht auf byzantinischen Mosaiken genauso aus wie in unsern Gärten, wie auf allen Bildern der Verkündigung, mögen sie von den niederländischen Brüdern Van Eyck oder von dem Italiener Fra Filippo Lippi sein. Indessen erscheint die Rose in tausendfältiger Gestalt.

Lilie und Rose sind Katze und Hund des Pflanzenreichs. Unverändert wie die Lilie sind die Katzen seit jenen Zeiten, da ägyptische Künstler ihr ewig gültiges Abbild schufen. Die Rosen sind dauerndem Wandel unterworfen, genau wie die Hunde.

Es gibt übrigens Bilder der Verkündigung, auf denen die Lilie ohne Staubfäden dargestellt ist; wohl die äußerste Verleugnung der Natur.

Gärten waren in Jerusalem nur außerhalb der Mauern erlaubt; denn es war verboten, Dung oder sonst Unreines in die Stadt zu bringen. Aber in Salomos Tempel waren alle Wände mit bunten Reliefs von Blumen und Palmen und Fabeltieren bedeckt.