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Inhalt

[Cover]

Titel

Hallo, Terrasse

Der Wind, der Wind

Die Birken

Was im März zu tun ist

Das Element Wasser

Scheffelweise Pfirsiche

Ein ganzes Feld voller Mädchenaugen

Versuchsstationen

Rosen

Schmetterlinge im Garten

Taglilienträume

Eine Pfingstrose

Hortensien

Meine dreißigjährigen Geranien

Meine Erfahrungen mit Schwertlilien

Einjährige außer Rand und Band

Wilder Wein

Nostalgisches Geißblatt

Hilfe für eine Clematis

Mein Streuner

Die Spottdrossel auf dem Dach

Herbstrückblick

Dank

Autorenporträt

Übersetzerporträt

Über das Buch

Impressum

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Mein New Yorker
Hochhausgarten

Hallo, Terrasse

Seit nunmehr fünfunddreißig Jahren gärtnere ich auf einer hochgelegenen Terrasse eines New Yorker Wohngebäudes, bepflanze Töpfe, Tröge und Kübel, schleppe jedes Frühjahr säckeweise Erde an, schlage mich mit dem Wind herum, führe Krieg gegen alle möglichen Winzlinge, die meinen Pflanzen den Lebenssaft aussaugen und kreuze gelegentlich die Klinge mit einem missgünstigen Nachbarn. Natürlich hätte ich auch liebend gern auf einem Landgut gegärtnert, oder zumindest auf einer nicht ganz so hoch gelegenen Terrasse, aber ich will mich nicht beklagen. Ich kann von Glück sagen, überhaupt einen Außenbereich zu haben, wo ich meiner Leidenschaft nachgehen kann, auch wenn die rauen Bedingungen zwanzig Stock über der Straße für meine Pflanzen nicht gerade einfach sind.

Gärtnernde Schriftsteller erzählen einem gern, wie sie zu ihrem Fleckchen Erde gekommen sind – beispielsweise indem sie ein völlig zugewuchertes Stück Farm- und Waldland erbten. Das hier ist eine New Yorker Geschichte. Sie begann in den 1960er Jahren, als Bauunternehmer ein Mietshaus am nordwestlichen Rand des charmanten, historischen Greenwich Village abrissen, gleich an der Grenze zu einem Leichtindustriegebiet, bestehend aus Schlachthäusern und Fabriketagen. Das klobige rote Backsteinmonstrum, das anschließend auf dem Grundstück hochgezogen wurde, passte so wenig zu den Häusern im frühen Federal- und viktorianischen Stil auf der besseren Seite der Grenze und wirkte im Vergleich zu ihnen so unverhältnismäßig groß, dass entsetzte lokale Denkmalschützer in Aktion traten und die Stadt dazu brachten, Greenwich Village zu einer geschützten Zone zu erklären, in der es strikte Auflagen in Bezug auf die Höhe neuer Bauten gab.

Der unrühmliche Koloss, eine bereits vollendete Tatsache, besaß ein Penthousestockwerk mit fünf Terrassenwohnungen. Ich weiß natürlich, dass ein Penthouse eigentlich ein Einzelgebilde ist, aber ich kann nun einmal nichts für die Benennungspraktiken von Immobilienmaklern oder für die Wünsche und Sehnsüchte der Leute. Inzwischen besitzt New York Wohntürme mit sage und schreibe vier – Sie können gern nachzählen, vier – ausgewiesenen Penthouse-Stockwerken. Ein privater Bereich mit Kletterpflanzen und Blumen und einer fabelhaften Aussicht ist nun einmal der Traum vieler Städter, eine unausrottbare romantische Phantasievorstellung von Erfolg auf höchstem Niveau, die zu großen Teilen auf alte, noch in Schwarzweiß gedrehte Hollywoodfilme zurückgeht, die nicht etwa an Ort und Stelle, sondern in nachgemachten Sets entstanden.

Jedenfalls wohnte ich in einer durchaus netten Zwei-Zimmer-Mietwohnung im fünften Stock des Kolosses, der die Denkmalschützer auf den Plan gerufen hatte, als ein Buch, das ich geschrieben hatte, mir einen Haufen Geld einbrachte. Verständlicherweise richtete sich mein Blick sofort nach oben, und ich bat Nestor, unseren hart arbeitenden Hausmeister, mir Bescheid zu geben, sobald eine Penthousewohnung frei würde. Meine Beziehung zu Nestor war ausgezeichnet. Er bewunderte mein Geschick mit Zimmerpflanzen und ich wurde nie ausfällig, wenn er einmal vergaß, irgendeine Reparatur für mich zu erledigen, während ein berühmter Filmschauspieler, der ebenfalls im Haus wohnte und ebenfalls ein Penthouse wollte, für seine Temperamentsausbrüche bekannt war. Nestor hatte Probleme mit der Hüfte und sein Englisch ließ zu wünschen übrig, was für meine Geschichte relevant ist. Eines Tages verließ er während eines Streiks der Gebäudemitarbeiter die Streikpostenkette in der Lobby, humpelte auf mich zu und rief: »Er gestorben, er gestorben!« Es dauerte einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass Nestor mir einen wertvollen Tipp gab, der mir den entscheidenden Vorsprung verschaffte, mir eine plötzlich zur Verfügung stehende Wohnung im obersten Stock zu sichern. Ich schluckte, packte die Gelegenheit beim Schopf, unterschrieb einen Vertrag, der meine Miete verdreifachte, und wurde Terrassengärtnerin.

1978, als ich meinen Adlerhorst bezog, rissen sich die Leute noch nicht darum, in der Nähe eines lauten Schlachthofbezirks zu leben, wo es nach Talg und Blut stank und vor Fliegen nur so wimmelte. Eine Großbäckerei, eine Eiscremeproduktion und eine stinkende Würstchenfabrik lagen ein Stück weiter die Straße runter. Ich erinnere mich immer noch an den unverkennbaren Geruch einer Tintenfabrik. Scheppernde Güterwaggons für die Fleischhauer pendelten auf einer Hochbahntrasse hin und her. Nachts konnte man in geparkten Lastwagen in der Nähe der gesperrten West Side Highway – ein Teil davon war eingestürzt – anonymen Sex kaufen. Wenn ich abends mit dem Hund unterwegs war, gingen wir nie in diese Richtung.

Stadtviertel verändern sich. Meins verwandelte sich von einem Wildwest-Grenzgebiet zu »angesagt«. Der Highway wurde wiedereröffnet, daneben wurde direkt am Ufer des Hudson ein Park angelegt, und die Schlachthäuser wichen trendigen Nachtclubs, Designerboutiquen, gläsernen Türmen mit Eigentumswohnungen und Spitzenrestaurants, für die die Leute von weither angefahren kamen. Die scheppernden Güterwaggons verschwanden, ein großer Teil der Hochbahntrasse wurde abgerissen, der Rest verwandelte sich in den kunstvoll gestalteten High Line Park, der Touristen aus aller Welt anzieht, und in jüngster Zeit bezog eins der städtischen Museen sein neues Domizil direkt am Ufer. Mein Haus wurde Mitte der 1980er Jahre in Eigentumswohnungen umgewandelt, allerdings durften laut Gesetz 30 Prozent von uns weiterhin als Mieter in unseren mietpreisgebundenen Wohnungen bleiben. Weder damals noch zu irgendeinem Folgezeitpunkt hätte ich es mir leisten können, die Wohnung zu den durch die Decke schießenden Preisen auf dem Immobilienmarkt zu kaufen.

Jetzt kommt das Beste: Meine Penthousewohnung bietet einen phänomenalen Blick auf den Hudson, die sich ständig verändernde Stadtlandschaft Lower Manhattans, die Küste von Jersey und Sonnenuntergänge wie aus dem Bilderbuch. Ich kann die Phasen des Mondes beobachten und sogar den großen Wagen ausmachen, obwohl die hellen Lichter der Stadt den Nachthimmel verblassen lassen. Die meisten meiner Besucher bemerken meinen Garten nicht einmal, wenn sie auf die Terrasse treten. »Wow, was für eine Aussicht!«, rufen sie, obwohl ich ihnen eigentlich eine Taglilie zeigen wollte.

Das Ego eines Terrassengärtners in luftiger Höhe ist – gigantisch. Das muss es im Kampf gegen eine feindliche, unnatürliche Umwelt auch sein. Meine Terrasse ist von drei Seiten her den Elementen ausgesetzt. Statt Erde habe ich rötlichbraune Steinplatten und metallene Abflussrohre unter den Füßen. Der Wind ist mein ungeliebter ständiger Gesellschafter. Ich habe ein Übermaß an Sonne und nur wenig Schatten. Wie alle Gärtner bin ich dankbar für Regen, bis ein launischer Frühling oder Sommer daherkommt, der nichts als Regen bringt. Meine sämtlichen Hoffnungen auf und Träume von üppigem Wachstum wurzeln in Kübeln, Trögen und Töpfen, die an einem einzigen heißen Sommertag geradezu beängstigend austrocknen können. Ständig zerre ich einen Schlauch durch die Gegend und entwirre seine Wirrungen, weil ein automatisches Bewässerungssystem (glauben Sie mir, ich hatte eins) kein Ersatz für ein aufmerksames Menschenwesen ist.

Einssein mit der Natur im Sinn von Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau – das ist auf einer im Zickzack verlaufenden dreiseitigen Terrasse, die ich in fünfundsiebzig Sekunden hin und her abgehen kann, ohne mich zu beeilen, aber auch ohne den Blick auf etwas anderes zu richten als die Stoppuhr (was ich recherchehalber einmal gemacht habe), leider nicht zu haben. Hier die Dimensionen meines Reichs, von mir persönlich mit dem Zollstock ausgemessen: Etwa zweieinhalb Meter breit auf der kurzen Nordseite, wo Hortensien und Geißblatt wachsen und ich die Gartengerätschaften in einem Verschlag unter einem Überhang aufbewahre; knapp drei Meter breit auf der langen Westseite, wo es Rosen und Mädchenaugen, eine Bank und einen großen Tisch mit Stühlen gibt; ziemlich genau anderthalb Meter breit auf der besten, der Südseite – weitere Rosen, Taglilien und ein Schmetterlingsstrauch –, die an die Nachbarterrasse grenzt. Auf dem Höhepunkt meiner schwindelerregendsten, ehrgeizigsten Träume wurden die Zickzackecken von drei Birken, einem Zwerg-Pfirsich und einem Zierapfel bewohnt, und Wilder Wein und eine Kletterrose verdeckten einen beträchtlichen Teil der Backsteinmauern.

Bauliche Veränderungen der Fassade des Gebäudes, die hierorts in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden, haben meinem Garten herbe Rückschläge versetzt. Insgesamt drei Sommer lang hatte ich tagsüber keinerlei Zugang zur Terrasse, weil sie als Bühne für diverse Arbeitstrupps mit Abspannseilen, Flaschenzügen und Teerfässern beschlagnahmt worden war. Der Wilde Wein wurde von der Mauer gerissen, meine Kletterrose wurde in Stücke gehackt. Die riesigen Holzbottiche mit meinen Bäumen wurden so lange hierhin und dorthin gezerrt, bis sowohl Bottiche als auch Bäume kurzerhand zerhackt und entsorgt wurden. Bei Sonnenuntergang, wenn die Arbeiter weg waren, schlich ich mich hinaus, kroch vorsichtig, um nicht garrotiert zu werden, unter den Abspannseilen durch und wässerte, was von meinen Schätzen noch übrig war. Aber trotz meiner Qualen und Frustrationen während dieser schlimmen Zeiten gab es immer auch meine unerschütterliche Entschlossenheit, den Garten wieder schön zu machen.

Meine schlimmste Herausforderung war der Winter 2014/2015, der kälteste, den der Nordosten seit 65 Jahren erlebt hatte, eine unbarmherzige Dauerattacke von Schnee-, Regen und Eisstürmen, auf die ein deprimierender Nicht-Frühling aus Tauwetter und neuerlichen Frosteinbrüchen folgte. An der ganzen Ostküste beherrschte das Wetter die Nachrichten. Ich war stolz, das Ganze überlebt zu haben, ohne in eine Schneewehe zu stürzen und mir das Handgelenk zu brechen, aber als ich mich endlich auf die Terrasse hinauswagte, an die ich monatelang nicht einmal gedacht hatte, stellte sich schnell heraus, dass viele meiner Lieblinge den Winter nicht überstanden hatten. Ich selbst war gerade achtzig geworden, und die Aussicht, praktisch noch einmal ganz von vorn anfangen zu müssen, war extrem niederschmetternd.

Aber was blieb mir anderes übrig? Ich fing noch einmal von vorn an. Noch war ich nicht bereit, mich in Demut geschlagen zu geben.

Ja, ich besitze eine private grüne Oase in einer von Konkurrenzdenken geprägten Stadt, einen Ort, an dem ich in der Erde herumwühlen, vor mich hinpusseln, pflanzen, gießen, düngen, schneiden, zurückstutzen und vorsichtig zurücktreten kann, um mein Werk aus eingeschränkten Blickwinkeln zu bewundern, aber ich würde nicht behaupten, dass es eine Oase des Friedens ist. Vielmehr ist der Garten eine ewige Herausforderung in einer unnatürlichen Umgebung. Ich finde es immer noch erstaunlich, wie viele kleine Lebewesen mein grüner Bereich anlockt: Wanderfalter und Zugvögel stehen ganz oben auf der Liste der Besucher; Blattläuse, Ameisen und Bienen ganz unten. Mir ist bewusst, dass ich sogar lächle, wenn ich die schwersten Arbeiten verrichte. Tatsächlich lächle ich immer, wenn ich auf meiner Terrasse bin, und meistens erledige ich dann irgendwelche Arbeiten. Obwohl ich kein spiritueller Mensch bin, hat mein Garten mir viele Augenblicke reinster Glückseligkeit geschenkt: wenn ich eine Karotte aus der Erde ziehe; einen reifen Pfirsich pflücke; in der Paarungszeit im Herbst dem nächtlichen Zirpen der Grillen lausche oder morgens von einer neu aufgeblühten Rose begrüßt werde.

Neue Technologien haben meine Gartengewohnheiten verändert. Mit der Zeit haben Kunststoffbehälter meine speziell angefertigten Rotholztröge ersetzt, die anders als versprochen kein ganzes Leben hielten. Inzwischen pflanze ich alles und jedes in eine leichte, sterile, mit Perlit durchsetzte Blumenerde, das Ende einer langen Bekanntschaft mit sich ringelnden Regenwürmern. Ich besuche die wie Pilze aus dem Boden schießenden Internetseiten für Gärtner und stelle fest, dass sie oft hilfreicher sind als meine Bibliothek gewichtiger Nachschlagewerke. Heutzutage finde, ordere und bezahle ich neue Pflanzen für gewöhnlich mit ein paar Klicks, obwohl es immer noch nichts Schöneres gibt, als in den gedruckten Katalogen herumzustöbern, die per Post eintrudeln. Ich knicke Eselsohren in die Seiten, pappe Post-its hinein, umkringele interessante Pflanzen mit Textmarker und beschließe die Transaktion mit einem freundlichen telefonischen Schwatz mit einem real existierenden Menschen. Möge es immer real existierende Menschen geben! Und ich werde es nie müde, Bücher über die Gärten anderer Leute zu lesen.

Mein Garten fesselt mich intellektuell und emotional. Er ist eine nie endende Herausforderung, weil irgendetwas immer schiefgehen kann. Aber, wenn alles gutgeht …

Der Wind, der Wind

Eine zugige Hügelkuppe oder eine windgepeitschte Küste, gelegentlich eingelullt von trügerischen Phasen der Ruhe und des Friedens: Diese schwierigen Lebensräume kommen denen auf einer hochgelegenen Stadtterrasse wahrscheinlich am nächsten. An stürmischen Tagen, an denen ich selbst lieber drinnen wäre, sehe ich, dass es auch meinen Pflanzen nicht gerade besonders gutgeht. Der Wind ist der größte Feind meines Gartens, eine Naturgewalt, gegen die Hochhausgärtner Strategien entwickeln müssen, wollen sie überhaupt einen Garten haben.

Starker Wind entzieht den Blättern der Pflanzen die Feuchtigkeit und überfordert die normalen Verdunstungsprozesse – den hydraulischen Hub von Wasser und Nährstoffen von den Wurzeln in die Stängel und schlussendlich in die Blätter, die auf diesen Prozess angewiesen sind. Verdunstet die Feuchtigkeit in den Blättern schneller, als sie ersetzt werden kann, besteht das Ergebnis in vertrockneten, rissigen, braunen, verschrumpelten Blättern, die man nur noch abzupfen kann. Böen verursachen zusätzliche Verwüstungen. Ein starker Windstoß kann den eigentlich robusten Blütenstängel einer hohen Pflanze einfach umknicken, den Halt einer Kletterpflanze zerstören, Äste von holzigen Sträuchern reißen und eine aufrechte Konifere im Lauf der Jahre zu einem Gebilde verformen, das einfach nur hässlich anzusehen ist. Ich habe das alles erlebt.

Wind kann Knospen austrocknen, Blüten zerfetzen und Bäume umkippen. Wind kann unglaubliche Schäden an einem eigentlich robusten Gewächs wie dem Wilden Wein anrichten, der sich normalerweise fest an die Backsteinmauern klammert. Wind besitzt die destruktive Kraft, die von mir sorgfältig zusammengedrehten Schnüre zu lösen, die die biegsamen Zweige einer Kletterrose halten. Wind kann meine Terrassentüren mit einem so heftigen Knall zuschlagen, dass die Angeln locker werden. Wind kann mich daran hindern, die Terrasse zu betreten, weil seine Kraft so stark ist, dass ich die Tür nicht aufgedrückt bekomme. Eines Nachmittags sah ich meine Nachbarin in einer Ecke ihrer Terrasse auf den Knien liegen – ein plötzlicher Windstoß hatte sie umgeworfen.

Wussten Sie, das New York windiger ist als Chicago, das immerhin den Beinamen »Windy City« führt? Der in New York vorherrschende Wind kommt im Winter normalerweise aus West-Nordwest und in den Gartenmonaten aus Südwesten. Ruhiges Wetter auf Straßenniveau ist kein Hinweis auf die Bedingungen, die weiter oben herrschen. Selbst ein nur leichter Wind kann die Seiten hoher Gebäude hinaufhuschen und auf Dächern und ungeschützten Terrassen immer mehr Geschwindigkeit zulegen.

In meinen Anfangsjahren als Gärtnerin, als ich noch Frühlingszwiebeln steckte, musste ich zu meiner Verärgerung feststellen, dass die Tulpen in den öffentlichen Parks und auf den kleinen, eingezäunten Flächen unter den Straßenbäumen zwei Wochen früher blühten als meine. Wenn meine Spätzünder dann schließlich doch anfingen, Farbe zu zeigen, knickten ihre windgepeitschten Stängel haufenweise um. Ich hörte auf, Tulpen zu pflanzen. Mein Zierapfel blühte später als die auf der Straße; meine Birken versetzten mich in Angst und Schrecken, wenn ihre angeketteten Kübel anfingen zu tanzen. Laut den Karten, die vom Landwirtschaftsministerium herausgegeben werden, liegt die Stadt New York in Winterhärte-Zone 7b, einem durchaus angenehmen Klima für ein breites Spektrum an Bäumen, Sträuchern, Blühpflanzen, Obst und Gemüse, aber die windige Höhe meiner Terrasse versetzt sie in ein turbulenteres und kälteres Mikroklima, das auf der Karte nicht verzeichnet ist. Alles, was ich pflanze, ist, um auf Nummer sicher zu gehen, für die kältere Zone 6 freigegeben.

Früher sehnte ich mich nach einem ummauerten Garten, wie ich sie sie aus Herrenhäusern in England und Frankreich kenne – meistens ummauern sie dort ihre Obst- und Gemüsegärten. Aber Mauern würden bei mir nicht funktionieren. Erstens wären sie nicht erlaubt, zweitens würde ich meine wunderbare Aussicht verlieren, und drittens ist eine Mauer keine wirkliche Abschreckung für den Wind. Meine Terrasse ist von einem niedrigen Backsteinmäuerchen umgeben, auf dem ein schmiedeeisernes Geländer sitzt, das eine Höhe von etwa einem Meter zwanzig erreicht, was die Sicherheitsbestimmungen der Stadt erfüllt. Es ist hoch genug, um zu verhindern, dass jemand aus Versehen in die Tiefe purzelt, kann starke Winde jedoch nicht davon abhalten, Schäden anzurichten.

Die britische Royal Horticultural Society (RHS) berichtet, dass Wind, der auf eine solide Backsteinmauer trifft, nach oben steigt und sich in Wirbeln und Strudeln über die Kante stürzt. Ich kann diese Fallwinde nur bestätigen. Außerdem hat sich herausgestellt, dass der wahre Zweck ummauerter Gärten zu viktorianischer Zeit der war, Tiere und Wilderer fernzuhalten. Natürlich stimmt es, dass eine durchlässige Barriere aus immergrünen Nadelgehölzen wie der Eibe den Wind verlangsamt. Die RHS empfiehlt für einen effektiven Windschutz drei abgestufte Eibenreihen. Aber welche Stadtterrasse bietet dafür Platz? Schon die eine Eibenreihe, die ich früher auf der Nordseite der Terrasse hatte, versperrte mir die Sicht und ließ kaum Raum für die Pflanzen, die ich dort eigentlich haben wollte.

Eine offensichtliche Strategie besteht darin, nach Pflanzen zu suchen, die für ihre Windresistenz bekannt sind oder, anders ausgedrückt, von denen man weiß, dass sie mit windigen Bedingungen zurechtkommen. Immergrüne Gewächse mit dünnen Nadeln wie die Eibe schaffen das ganz gut; großblättrige immergrüne Pflanzen wie Rhododendren oder Azaleen dagegen leiden sehr unter Windschäden. Hortensien und Buschrosen, die sich in Küstengebieten gut halten, sind dagegen geeignet. Eine weitere Möglichkeit ist die, in den Katalogen nach niedrigwüchsigen Varianten von Lieblingen aus alter Zeit zu suchen. Züchter arbeiten auf Hochtouren an kompakteren Versionen beliebter Pflanzen, die besser für die kleineren Gärten von heute geeignet sind. Für hochgelegene Terrassen und Balkone sind zahlreiche mittelgroße Tag- und sogar Schwertlilien erhältlich, wozu ich allerdings hinzufügen muss, dass die Blütezeit von Schwertlilien sehr kurz ist, was bedeutet, dass man für den Rest des Frühlings und des Sommers einen Topf voller schwertförmiger Blätter, aber keine Blüten hat.

Sobald ich in einem Katalog das Wort »Zwerg« entdecke, macht mein Herz einen Sprung. Was für ein glücklicher Tag, als ich eine nur fünfundzwanzig Zentimeter hohe Goldrute entdeckte. Fast hätte ich es aufgegeben, auf eine Zwerg-Stockrose zu warten, und raten Sie mal? Inzwischen sind auch Zwerg-Stockrosen – also gut, Stockrosen, die, den Topf nicht mitgerechnet, etwa einen Meter hoch werden – zu haben, allerdings noch nicht in all den unzähligen Stockrosenfarben. Natürlich sollten sich Stockrosen groß und ein bisschen zerzaust an hohe Gartenzäune lehnen, aber ich habe nun einmal weder einen hohen Zaun noch einen Garten, und deshalb kaufe ich mir jedes Jahr eine neue niedrige Stockrose und genieße es, sie in ihrem Topf zu hegen und pflegen.

Es ist immens wichtig, auf die Höhe meiner blühenden Mehr- und Einjährigen zu achten und schwachwüchsigere Varianten trockenheitsresistenter Pflanzen für meinen Garten auszuwählen, sofern es sie gibt. Glockenblume und Bartfaden gibt es in niedrigeren Sorten, wohingegen es keinen Zweck hat, an Rittersporn auch nur zu denken – noch hat niemand einen niedrigwüchsigen Rittersporn gezüchtet. Ein guter halber Meter, das ist meine bevorzugte Blütenhöhe, weil höhere Stängel im Wind nur zu leicht umknicken. »Widerstandsfähig« ist ein weiterer Begriff, der mich aufmerken lässt, wenn ich in einem Katalog blättere. Kurze, feste Stängel, typisch für das quirlblättrige Mädchenauge (Coreopsis verticillata) und einige Anemonen, wiegen sich einfach im Wind.

Meine wichtigste Strategie ist großzügiges Gießen. Windgepeitschte Pflanzen, die durch Oberflächenverdunstung viel Feuchtigkeit verlieren und deren Systeme auf Hochtouren arbeiten müssen, um für Nachschub zu sorgen, lassen die Erde in den Töpfen im Nullkommanichts austrocknen. Selbst ein ergiebiger Regen reicht nicht aus, um die ausgedörrte Erde zu sättigen. New York ist mit reichlich Regen gesegnet – rund 1100 Liter pro Jahr und Quadratmeter –, aber ein Terrassengarten voller Kübel und Töpfe, die auf einem künstlichen Untergrund stehen, kann die allzeit willkommenen Himmelsgüsse nicht so ausnutzen, wie ein Garten es kann, denn der Regen, der auf meine Steinplatten trommelt, läuft einfach durch die Abflüsse davon (Hüten Sie sich vor verstopften Abflüssen). Im Hochsommer wird mein kostbarster Besitz, die Hortensie ›Nikko Blue‹, jeden Tag gegossen. Die ›Nikko Blue‹ macht übrigens aus ihren Bedürfnissen kein Geheimnis – sie sinkt in sich zusammen wie eine korsettierte Dame in einem Fin-de-siècle-Ballsaal, wenn ich mit dem Schlauch nicht schnell genug bin.

Karel Čapek, der tschechische Schriftsteller, lieferte seinen Lesern in Das Jahr des Gärtners, das er über seinen weitläufigen Garten in Prag schrieb, eine amüsante Schilderung seiner Schwierigkeiten mit dem Gartenschlauch: »Eine ausgezeichnete Erfrischung erzielen Sie, indem Sie mit dem Schlauch gegen den Wind spritzen: Es ist eine reine Wasserkur, so durch und durch nass werden Sie. Der Schlauch hegt eine besondere Vorliebe, irgendwo in der Mitte ein Loch zu haben, dort, wo Sie es am wenigsten vermuten. Sie stehen dann da wie ein Wassergott inmitten sprühender Wasserstrahlen, mit einer langen, zu Füßen zusammengerollten Schlange; es ist ein überwältigender Anblick. Wenn Sie dann nass bis auf die Haut sind, erklären Sie zufrieden, der Garten habe genug, und Sie gehen hinein, um sich abzutrocknen. Inzwischen sagt Ihr Garten »Uff«, saugt, ohne mit der Wimper zu zucken, Ihre Wasserströme auf, und nun ist er wieder so trocken und durstig wie zuvor.« Kommt mir bekannt vor.

Als ich mit meinem Garten anfing, ließ ich für die wichtigsten Pflanztröge auf der Terrasse ein automatisches Bewässerungssystem aus PVC-Rohren und dünnen Schläuchen installieren, ergänzte das komplizierte Ding (heutzutage sind sie weniger kompliziert) aber immer durch Gießkanne und Schlauch. Die Rohre für das automatische System wurden abmontiert, als im Gebäude wieder einmal Fugenarbeiten anstanden, und ich ließ sie nie wieder anbringen. Aber auch ich hatte bei meinem 30-Meter-Schlauch mit reichlich Knicken und Knoten und undichten Stellen zu kämpfen, ganz zu schweigen von den vielen Malen, die ich darüber stolperte, wenn ich zu faul war, ihn auf die Rolle zurückzuspulen. Ich kann mich mehr als glücklich schätzen, immerhin einen Außenhahn zu haben, der an die Badezimmerrohre angeschlossen ist, die meisten Terrassen- und Balkongärtner haben so etwas nicht. Und ich kann außerdem froh sein, in einer Stadt zu leben, in der es dank der zahlreichen Reservoire im Hinterland noch nie eine ernsthafte Wasserknappheit gab.

Was die Geselligkeit angeht, kann schon ein leichter Wind meine Pläne für ein Essen al fresco, das als angenehmer Abend großstädtischer Raffinesse gedacht war, völlig über den Haufen werfen. Das Essen ist fertig, die Gäste haben ihre Plätze eingenommen, aber sie sehen nicht sonderlich glücklich aus, weil nämlich plötzlich Wind aufgekommen ist! Ich kann es meinen Gästen nicht verdenken, dass sie nicht vom Tischtuch umflattert mitten in einem Windkanal essen und trinken möchten. Zweimal wurden meine Pläne bereits vereitelt, bevor ich auch nur den Tisch gedeckt hatte, weil Freunde gestanden, Höhenangst zu haben und sich striktweg weigerten, auch nur einen Fuß auf die Terrasse zu setzen. Es ist erstaunlich, wie viele hochfunktionierende Leistungsträger an Höhenangst leiden und panische Angst davor haben, in die Tiefe zu stürzen. Von daher betrachte ich es als ausgezeichneten Rekord, wenn mir in einem Sommer zwei oder drei Essen im Freien gelingen. Es erübrigt sich zu sagen, dass es natürlich zahlreiche Abende gibt, an denen die Bedingungen für ein Essen im Freien perfekt wären. Aber diese wunderbaren Nächte, an denen es windstill und die Sicht kristallklar ist und Stadt und Fluss wundervoll aussehen und der Mond hell über Manhattan steht, sind natürlich meistens nicht die, an denen ich ein Essen eingeplant hatte.