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Inhalt

[Cover]

Titel

Geselliges Beisammensein

Reisen

Durchreise

Gepäck

Alter Hut

Anna die Fünfte

Abgefertigt

Verfahren

Fahrkarte bitte

Ausgebuchtet

Mitfahren

Das Gefrierhaus

Der Filetiertisch

Die Gefrierpfanne

Die Heringstonne

Hering packen

Die Gummihandschuhe

Das Fischfilet

Hummer brechen

Arbeitnehmer – Arbeitgeber

Durchzug

Das Licht

Der Schlafsaal

Das Wasser

Der Rabe

Die südliche Bucht

Der Vogel Lündi

Der Obsidian

Die Tuffbreksie

Der Möwenfriedhof

Teppichweberei

Herr Schelsky – ein Weber

Der Organist

Jonina – die Gütekontrolleurin

Die Versandabteilung

Stella und der Werkstudent

Julklapp

Herr Jons – der Chef

Herr Julius Jons – der Gründer

Geselliges Beisammensein

Schlager und Co.

Das Gutachten

Kräftig essen

Entkommen

Brandenburger

Doppelte Kletterweiche

Das Anrecht

Eierlikör

Hauswein

Schlittenfahren

Eis

Geselliges Beisammensein

Wohnhaft im Westend

Wohnhaft? Im Westend

Aufenthalt in einem irren Haus

Berenike ist weg

Einblick in das Haus gegenüber

Lehrgang im Juni

Sizilianische Vesper in Briefen

Palisaden oder Aufenthalt in einem irren Haus

Die Landnahme von Torrebela

Grundriß

Interieur

Die Landnahme I

Wespenschwärme in der Kelterei

Die Ölpresse

Brachland I

Bragança

Deputat-Wein

Die Landnahme II

Für Landarbeiter verboten

Vierzig Stühle

Brachland II

Ein Latifundista

›Der Korken‹

Eukalyptus I

Rotes Mahagoni

Ballade von der Zinnkönigin

Die Landnahme III

Gespenster

Eukalyptus II

Wenn es nicht bald regnet

Der Pflug

Erster Versuch, das Landgut Bafoa zu besetzen

Die Nüsse der Schweine

Bourgeoise Sorte

Angebot und Nachfrage

Die Landnahme IV

Reminiszenzen

Land ohne König

Eukalyptus III

Losungen – die in Rauch aufgehen

Portugiesisches Weiß

Bombe!

Die Landnahme V

Oliven pflücken

Zweiter Versuch, das Landgut Bafoa zu besetzen

Kleiderspende

Nach der Demonstration

Die Landnahme VI

Tagträume

Die Seefahrer kehren heim

Bacalhau – eine Erbe der Normannen

Warum nicht bleiben

Paradiesgarten

Die Hirschkuh

Die Nacht von Buraca

Internationale

Streit bei der Arbeit

Alte Laken

Vision vom Ende eines Picadors

Nachtwache

Der neue Generator

Palisaden

In der Luft hängen

Kleopatra

Hauptpost

Sprechzeit

Monolog eines Buchhändlers

Reise einer Nihilistin nach Verona im späten Herbst

Reise einer Nihilistin nach Verona im späten Herbst

Brief aus Kanton

Reise nach Rumänien

Portrait einer polnischen Greisin

Nachweise

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

Titel.jpg

Geselliges Beisammensein

Reisen

Durchreise

Die Empfangshalle ist aus Marmor. Ihre geviertelte Decke ist mit Vögeln, Blütenzweigen, Pfauen bemalt. Die Pfauen schlagen Rad. Von der Decke sehen leuchtende Pfauenaugen herab.

In die Wände der Halle sind hohe Spiegel eingelassen. Die verschnörkelten Rahmen sind vergoldet. Was die Spiegel zurückwerfen, scheint vergoldet.

Große, aus Zement gegossene Schalen stehen in den Ecken. Sie sind voll Sand. Rosa, hellbraune und weiße Zigarettenfilter ragen aus dem Sand.

In der Wand zur Straße drehen sich Ventilatoren. Dicke graue Staubflocken wehen herein und hinaus.

Der Boden ist mit weinrotem Teppich ausgelegt. Vom Eingang zum Empfangsbord ist der Flor abgetreten. Die Kettfäden aus Hanf schimmern durch.

Das Hotel steht in der Altstadt.

Ein Schwarm älterer Damen betritt die Halle. Sie schwatzen. Sie nicken dem Geschäftsführer zu. Sie lassen sich in der Sitzecke nieder. Sie legen ihre Hüte, ihre Handschuhe auf die Rauchtische und bieten einander Zigaretten an. Sie rauchen. Sie reden schnell durcheinander und lachen hoch.

Eine von ihnen kommt zu mir herüber, bietet mir eine Zigarette an, läßt die Gasflamme steil vor mir aufschießen. Sie trägt zwei Trauringe am rechten Ringfinger. Sie deutet auf die Ringe. Sie setzt sich. Sie sagt, wir sind keine Kinder von Traurigkeit. Sie lächelt. Sie sagt, Sie sind fremd hier. Ich sage, ich bin heute angekommen. Sie sagt, wie gefällt Ihnen unsere Stadt. Ich sage, es ist eine zauberhafte Stadt. Sie sagt, Sie sind goldig. Die Stadt steht Ihnen. Im Handumdrehen werden Sie hier heimisch sein. Es zu etwas bringen. Ich sage, ich bin allerdings nur. Sie sagt, einsam. Doch nirgends werden Sie in kurzer Zeit so viele Freunde finden wie hier.

Sie steht auf. Sie nickt munter. Sie geht zu den Damen.

Die Witwen zeigen jauchzend auf den Geschäftsführer, an die Decke, in die Spiegel, auf ihre Ohrringe, Broschen, Knöpfe, Schuhe. Sie zeigen in ihre Magen-, Leber-, Herz-, Nierengegenden. Sie plappern. Sie gebärden sich.

Eine andere Dame tritt zu mir. Sie bietet mir Konfekt an. Sie sagt, unsere Teestunde. Brauchen Sie ein Zimmer? Ich sage, nein, danke.

Sie lächelt. Sie geht in ihre Ecke zurück.

Die dritte Dame ist ernst.

Sie sagt, wieviel Studenten sind in der Universität eingeschrieben?

Ich sage, das weiß ich nicht.

Sie sagt, raten Sie mal.

Ich sage, ich kann es nicht erraten. Ich kenne die Universität nicht.

Sie sagt, schätzen Sie.

Ich sage, unmöglich. Mir fehlt jeder Anhaltspunkt.

Sie sagt, ich glaube Ihnen, deshalb sollen Sie raten. Nennen Sie irgendeine Zahl, ich sage dann Wasser oder Kohle oder Feuer.

Sie kichert.

Ich sage, meine Dame, ich habe keinerlei Beziehung zur hiesigen Universität.

Sie sieht mich verzeihend an. Sie ergreift meine Hand. Sie drückt sie. Sie fragt freundlich, unter einer Bedingung, daß sie sich nur auf der Durchreise befinden.

Gepäck

Wir haben kein Geld. Wir haben viel Gepäck. Alles, was wir besitzen, tragen wir in Koffern und Säcken verschnürt bei uns. Es sind fünf Gepäckstücke.

Wir kommen in einem Dorf an. Die Bürgermeisterei, die Kirche, ein Gasthaus mit Saal liegen eng beieinander.

Wir fragen nach Arbeit. Der Wirt sagt, wir haben selber Arbeitslose. Noch dazu Männer. Wir übernachten in dem Gasthaus. Das Zimmer ist billig. Es hat kalte Fliesen. Die Fliesen sind marineblau und torfrot gemustert. Das Zimmer hat einen Balkon. Der Balkon hängt über den Markt. Auf dem Markt wird angepriesen, gefeilscht, geschimpft, gelobt, alles angefaßt und berochen. Auf den Obstständen türmen sich rote, gelbe, grüne Pyramiden aus Früchten. Es riecht nach Kaffee. Die Pfanne in der Kaffeerösterei dreht sich. An langen Stangen werden enthäutete Lämmer vorübergetragen. Gerda und ich packen. Wir tragen das Gepäck in den Hof. Während ich hinaufgehe, um einen schweren Koffer zu holen, bewacht Gerda das Gepäck.

Ich komme mit dem schweren Koffer hinunter. Gerda ist weg. Ich rufe, Gerda, Gerda. Ich gehe noch einmal hinauf. Ich komme hinunter. Zwei Gepäckstücke sind verschwunden. Ich rufe. Ich suche. Ich gerate in die Menschenmenge auf dem Markt. Ich werde aufgehalten. Ich schreie. Ich drehe mich im Kreis. Ich kehre zurück. Es sind nur noch zwei Gepäckstücke da. Ich rufe. Ich weine. Ich heule. Gerda kommt. Sie lacht.

Ich sage, wo warst du?

Sie sagt, in der Küche, Bohnen brechen.

Ich sage, derweil haben sie uns das Letzte gestohlen.

Sie sagt, leider nicht.

Ich sage, aber die größten Stücke.

Sie sagt, wir hatten sowieso zu viel.

Ich sage, jetzt haben wir gar nichts mehr.

Sie sagt, wir haben allerhand gewonnen.

Ich sage, ich habe an dem Zeug gehangen.

Sie sagt, entweder irgendwohin gehören oder gar kein Gepäck haben.

Jetzt sind Gerda und der Wirt schon lange verheiratet. Sie haben mich adoptiert. Ich bewohne das Zimmer mit den marineblauen und torfroten Fliesen und dem Balkon, der über den Markt hängt.

Alter Hut

Es gibt amerikanische Kaninchen. Es gibt Ziegenbraten. Es gibt genug Limonade. Ich trinke Limonade.

Der ältere Herr, der an meinem Tisch sitzt, sagt, ich bin kein Tourist, ich bin Maler.

Ich trinke Limonade. Ich klebe am Tisch. Ich klebe am Stuhl. Ich döse.

Der Herr ißt Käse. Er sagt, gewöhnlich trinke ich Wasser zum Käse. Ich sage, ich hole Ihnen welches. Er sagt, lassen Sie mal, das mache ich schon. Die werden doch noch »Wasser« verstehen. Dimitri steht in der Tür. Der Herr tritt zu ihm und sagt, Wwass-sserr. Dimitri zieht die Schultern hoch. Er läßt die Mundwinkel fallen. Der Herr wiederholt, Wwass-sserr. Dimitri zieht die Schultern hoch.

Ich nehme ein Glas und gehe zum Wasserhahn. Ich stelle Wasser auf den Tisch.

Der Herr geht zum Rotamint und steckt Münzen in den Schlitz. Der Rotamint klappert. Der Herr zieht den Hebel herunter. Es klickt, rollert. Rote Karos leuchten auf. Der Herr sagt, zweimal zwanzig, da, zwei, sechs, sieben, wenn dasselbe kommt, ist es besser, ein Zweier, ein Einser, noch immer nichts.

Der Herr hat einen hellblauen Popelinanzug an. Ein Tropenhelm liegt auf dem Tisch. Er ist hart und mit Bandagen umwickelt. Er ist schwer. Er ist innen naß.

Indem er auf den Tropenhelm deutet, sagt der Herr, er ist aus dem zweiten Weltkrieg.

Ich nicke.

Der Herr sagt, ich habe keinen Schuß abgegeben.

Anna die Fünfte

Ich wohne bei Anna. Sie heißt Anna die Fünfte. Sie ist aus New York. Sie lebt von der Rocknrollzeit.

Anna die Fünfte hat Angst vor Bazillen. Sie sagt, spuck mir nicht die Bude voll, geh raus. Ich spucke nicht. Anna geht nach Hustensaft und Drops.

Anna rührt Öl mit Zitrone, Pfeffer und Salz ein. Sie taucht Brot hinein und saugt das Öl aus dem luftigen Brot. Sie trinkt Ziegenmilch. Anna die Fünfte raucht Haschisch. Sie stopft die harten Stengel in eine kurze Pfeife mit fingerhutgroßem Kopf. Ein Freund in Athen schickt Anna Haschisch. Anna wiegt sich und raucht. Es ist dunkel. Insekten stoßen an das Gazefenster. Anna sagt, wenn ich Uniformen sehe, muß ich kotzen, deshalb bin ich hier. Ich lache. Anna sagt, I know, it’s all over.

Morgens klopft die Nebelkrähe unsere schmutzigen Teller ab. Anna steht auf. Sie schwankt. Sie schlägt mit ihrem Handtuch nach Fliegen. Sie geht breitbeinig vor die Tür und verscheucht die Krähe. Sie schreit, stop that, you are killing me. Schaukelnd geht Anna nach Milch. Sie bringt Drops und Hustensaft mit.

Anna macht jeden Tag Feuer und kocht Kaffee. Beim Reisigbrechen zerkratzt sie sich die Fingerspitzen. Sie flucht. Anna die Fünfte knabbert Fingernägel. Anna hat keine Fingernägel.

Anna sitzt auf dem Fußboden. Sie zieht ein Bein dicht an den Bauch. Sie reißt mit der Pinzette Haare aus dem Bein. Ihre Zehen sind gespreizt. Sie hat kurze Beine. Jeden Tag reißt sie zwei Stunden lang Haare aus. Ihre Beine sind behaart. Ihre Arme sind dicht behaart. Ihre Stirn ist behaart. Sie hat keinen Bart auf der Oberlippe.

Anna die Fünfte ist auf zwei Schallplatten herausgekommen. Davon lebt sie. Sie hat die Musik vergessen. Ich sage, sing doch mal wie es war. Sie sagt, ich habe es vergessen. Anna studiert die Abrechnungen aus dem Verlag. Sie zählt Beträge zusammen. Auf der Stirn hat sie tiefe Falten. Vor den Falten hängt ein Pony. Anna kostet meinen Hustensaft und trinkt die Flasche halbleer. Sie kann nicht singen.

Anna trinkt Retzina. Sie trinkt Ouzo. Sie liebt den Tischler. Wenn der Tischler kommt, gehe ich in den Garten. Er sagt, jaschu Annula. Wenn er geht, ruft er in den Garten, jaschu Marijaki.

Anna schweigt. Alles kotzt Anna an. Anna haßt Ordnung. Anna haßt Dreck. Sie haßt Männer. Sie haßt Frauen. Sie haßt Amerikaner, besonders Chinesen. Sie haßt Autos, Flugzeuge, die Musikbox bei Dimitri, die Sonnenbrillenfabrik, Dynamos. Anna sagt, laß mich in Ruhe, ich habe keine Ahnung. Anna sagt Tao und meint Aspirin.

Anna geht nackend baden. Der Dorfpolizist will sie ausweisen. Sie hat Geld genug, sie darf bleiben. Sie wird nicht braun. Ihre Sommersprossen wachsen.

Wir gehen zu Dimitri Kaffee trinken. Anna steckt mehr Geld in die Musikbox als wir alle zusammen. Sie sagt, die Tänze sind nicht echt. Anna hat ihren Tonbandkoffer in der Tasche. Wir gehen nach Hause. Es ist mondhell. Unterwegs setzen wir uns mitten auf den Weg. Anna drückt auf eine Taste. Wir hören strawberry-fields. Wir rauchen. Anna verfolgt einen Junikäfer. Die Sohlen ihrer Sandalen sind aus Autoreifen. Wenn ich betrunken bin, zieht mich Anna und redet mir zu. Ich bin nicht betrunken. Im Haus ist es heiß. Anna raucht Haschisch. Sie geht nicht schlafen.

Anna die Fünfte schweigt.

Sie wickelt sich in einen Teppich und trippelt hinaus. Sie legt sich aufs Dach. Sie wälzt sich hin und her. Die Bambusstangen knarren. Mir fällt Sand ins Gesicht.

Abgefertigt

Der Zug fährt langsam. Er schlenkert. Der Zug fährt schnell. Er fährt durch eine Schonung. Er hält neben einem leeren Bahnsteig. Ein Lautsprecher sagt, die Reisenden werden gebeten, den Zug nicht zu verlassen. Zwei Männer in Uniform gehen durch die Wagen und sagen, Paßkontrolle. Ein Mann und eine Frau, beide in Uniform, gehen durch die Wagen und sagen, füllen Sie bitte diesen Schein aus. Ein Mann in Uniform geht durch die Wagen und sagt, Ihr Visum bitte. Ein Ausländer sagt, ich habe kein Visum. Der Mann sagt, warum haben Sie kein Visum? Der Ausländer sagt, ich wußte nicht, daß. Der Mann sagt, kommen Sie bitte mit.

Der Mann in Uniform und der Ausländer gehen den Bahnsteig entlang und treten in ein Büro. Der Ausländer füllt ein Formular aus. Der Mann reißt von dem Formular einen Abschnitt ab, gibt ihn dem Ausländer und sagt, hier ist Ihr Visum. Der Ausländer geht am Zug entlang und in sein Abteil zurück. Die Reisenden blicken aus den Abteilfenstern und sehen den Ausländer an.

Zwei Männer, beide in Uniform und mit Maschinenpistole, gehen durch die Wagen und sagen laut in jedem Abteil, bitte mal heraustreten. Sie heben die Sitzbänke hoch. Sie treten mit den Füßen unter die Sitzbänke und heben die großen Koffer in den Gepäcknetzen an. Sie sagen laut, danke, und verlassen das Abteil. Sie reißen die Toilettentüren auf.

Eine Frau in Uniform geht durch die Wagen und sammelt die ausgefüllten Scheine ein. Sie sagt, gute Weiterreise.

Ein Mann in schmutziger Geländeuniform stellt sich draußen neben den Zug. Er hält einen langhaarigen Schäferhund an der Leine. Er macht ihn los. Der Hund sabbert. Er trägt einen Maulkorb. Der Mann nimmt ihm den Maulkorb ab. Der Schäferhund duckt sich. Er kriecht unter den Zug. Er geht zwischen den Geleisen unter dem Zug entlang. Er schnüffelt. Der Mann in der Geländeuniform geht neben dem Zug her. Er stößt mit einer eisernen Stange unter den Zug. Der Hund kommt unter dem Zug hervor. Er schüttelt sich. Der Mann sagt, wirst du. Der Hund geht wieder unter den Zug.

Der Zug ist zu Ende. Ein Mann in Uniform ruft, fertig. Der Zug fährt ab.

Der Zug fährt sehr schnell.

Er hält.

Zwei Männer in Uniform gehen durch die Wagen und sagen, Paßkontrolle. Die Dampflokomotive wird abgekoppelt. Eine Diesellok wird angekoppelt.

Ein Mädchen geht durch die Wagen. Es hat einen langen, weißen Kittel an. Auf dem Kittel steht Innere Mission. Es trägt eine Kanne vor sich her. Es ruft, Tee, Pfefferminztee, Tee. Es fragt, sind hier noch Rentner? Sein Haar ist auf dem Hinterkopf zu einem Knoten verschlungen. Ein junger Mann ruft, ja, hier. Das Mädchen lacht. Es verschüttet Tee. Es sagt, nein, nein, nein. Der junge Mann sagt, ich habe Durst. Das Mädchen sagt, ja, es ist sehr warm heute. Es geht weiter. Es ruft Tee, Pfefferminztee, Tee.

Der Zug fährt ab. Er fährt schnell. In den Abteilen wird geschwatzt. Eine Frau sagt, Zwillinge, das finde ich süß, dabei noch zwei Buben.

Verfahren

Ich komme an und winke einem Taxifahrer.

Er öffnet den Wagen. Ich setze mich hinein.

Ich kenne das Land nicht. Ich kenne die Stadt nicht. Ich spreche die Sprache des Landes nicht. Ich habe nur das Wörterbuch studiert.

Es ist spät. Ich bin müde.

Der Fahrer zieht die Glaswand zwischen uns auf, ich sage, ein billiges Hotel am Bahnhof bitte. Er sieht mich groß an. Er wölbt die Augenbrauen. Er sagt, billig. Ich sage, nicht zu teuer. Er sagt, ich verstehe schon. Er zieht die Glaswand zu.

Es regnet in Strömen.

Wahlplakate säumen die Straße. Es gilt zu bekräftigen, × A Sozialdemokratie. Ein gefälliges Neues Jahr, × C Konservative Partei. Wir bleiben vor der Kreuzung zwischen Warteschlangen stehen. Ich blicke in ein Auto links von mir. Ich blicke in ein Auto rechts von mir. Der Herr in dem Auto rechts gibt mir ein Zeichen. Ich wende mich ab. In dem Auto links von mir sitzt ein vierköpfige Familie mit einem Hund. Der Hund ist langhaarig. Ein Junge reißt an seinen schlappen Ohren.

Der Taxameter tickt. Er rasselt kurz. Ich fange an zu reden. Ich rede in meiner Muttersprache. Ich schlage einen ruhigen Ton an. Ich sage gegen die Scheibe, ich bin Student. Ich möchte mich hier in Ihrer Stadt immatrikulieren lassen. Morgen reiche ich meine Zeugnisse ein. So schlecht stehe ich gar nicht da. Aber Sie verstehen, daß ich einteilen muß. Wenn ich jetzt schon den Überblick verliere, ist bald alles alle.

Der Fahrer lächelt. Er sieht mich durch den Rückspiegel an. Er zwinkert. Er schmatzt.

Draußen lese ich nun rechts und links. Die Mehrzahl der Arbeiter, × K Kommunistische Partei. Obwohl ich auch den Stadtplan studiert habe, orientiere ich mich nicht. Die Straßen sind ziemlich dunkel. Ich mache einen Park aus. Ich klopfe gegen die Scheibe und sage, Bahnhof, Bahnhof. Der Verkehrslärm ist weit weg. Ich weiß nicht Bescheid. Ich nicke ein.

Fast wäre ich aus dem Wagen gefallen. Der Fahrer öffnet die Tür von außen. Er steht in einem Haufen Laub. Er deutet auf eine Parkbank und sagt, billig. Ich sage, dreißig darf es schon kosten. Der Fahrer macht seine Geldbörse auf.

Fahrkarte bitte

Kiel sieht neu aus. Es ist dunkel. Ich gehe zum Hafen. Mein Schiff ist nicht da. Es fährt morgen. Es kommt morgen vormittag an und fährt um dreizehn Uhr wieder ab. Ich sehe ein Hotel. Im Eingang steht ein junger Mann. Er trägt einen weinroten Rollkragenpullover.

Ich sage, haben Sie ein Einzelzimmer?

Er sagt, ja.

Ich sage, ich habe nur eine Handtasche bei mir, mein ganzes Gepäck ist auf dem Bahnhof in Schließfächern.

Er sagt, Zimmer einundvierzig. Wollen Sie gleich bezahlen?

Ich sage, ach nein, ich bezahle morgen.

Ich schlafe gut. Ich wache auf. Es regnet in Strömen. Ich gehe hinunter. Der junge Mann hat eine geschwollene Lippe.

Ich sage, darf ich mal telefonieren?

Er sagt, naja.

Ich rufe an.

Ich sage, du, ja, hier bin ich, heute noch, um eins, ja, ich komme gleich, doch ich muß, ich habe kein Geld, mein Hotel, ach fein, ich gebe es dir zurück, sofort, schön.

Der junge Mann steht neben mir. Er hat zugehört.

Ich sage, jetzt hole ich Geld. Dann bezahle ich.

Er sagt, zuerst bezahlen.

Ich sage, ich habe kein Geld, meine Freundin.

Er sagt, das kann ich mir nicht leisten.

Ich sage, aber ich muß nachher weiter.

Er sagt, da könnte ja jeder kommen.

Ich sage, meine Freundin kann nicht aus dem Geschäft weg.

Er lacht.

Ich sage, ich bin gleich wieder da.

Er sagt, so sehen Sie aus.

Ich sage, lassen Sie mich doch gehen. Was haben Sie denn von mir?

Er sagt, ich will Sie ja gar nicht.

Ich sage, manch einer wäre froh.

Er sagt, den zeigen Sie mir mal.

Ich sage, Sie kennen mich noch nicht.

Er sagt, abwarten und Tee trinken.

Es kommen neue Gäste.

Er sagt, gehen Sie solange in die Gaststube.

Er kommt nach.

Ich sage, mein Schiff geht um eins.

Er sagt, zeigen Sie mir bitte Ihre Fahrkarte.

Er veschließt die Fahrkarte in einer Kassette.

Ich sitze in der Gaststube und schreibe einen Brief. Liebe Charlotte, seit einer Woche bin ich im »Weißen Ahornblatt« Serviererin. Nähe Hafen. Wenn Du hier vorbeikommst, sieh doch zu mir herein. Sonst geht es mir glänzend. Deine Maria.

Ausgebuchtet

Frau Ruddigkeit ist Gast des Hotels »F … Hof«. Sie folgt dem Liftboy in den Aufzug. Der Liftboy trägt ihr Gepäck. In der rechten Hand trägt er zwei Reisetaschen. In der linken Hand trägt er einen Koffer und eine Reisetasche. Vorne an einen Knopf seiner Weste hat er sich den Zimmerschlüssel gehängt. Er stellt das Gepäck im Aufzug ab.

Der Liftboy ist klein, alt, breit. Er sieht verweint aus. Seine Weste ist aus Duchesse. Sie ist vorne rot und hinten schwarz. Der Liftboy trägt Messerschnitt. Er betrachtet Frau Ruddigkeit durch den Spiegel im Aufzug.

Frau Ruddigkeit hat einen hellblauen Wildledermantel an. Sie hat Stiefel an. Ihre Stiefel sind beige und reichen bis über die Knie.

Frau Ruddigkeit folgt dem Liftboy in das Zimmer. Sie sagt, darf ich Ihnen eine Mark geben, weil Sie so schwer zu schleppen hatten.

Der Liftboy hält ihr eine Hand hin. Frau Ruddigkeit sieht auf die Hand hinab. Die Hand ist offen, locker. Sie liegt in der Luft. Sie schwebt. Sie vibriert. Sie ist steif. Die ausgestreckte Hand zittert. Die einzelnen Finger stehen leicht voneinander ab. Die Handfläche, ausgebuchtet, ähnelt einem zerknautschten Sofakissen. Frau Ruddigkeit vertieft sich in den Anblick der Hand. Sie nimmt die Hand. Der Liftboy schaut weg. Sie biegt die Finger grade, knickt sie ein, zieht an ihnen, bis es knackt. Sie biegt die Finger hintenüber. Der kleine Finger bildet mit dem Handrücken einen rechten Winkel.

Der Liftboy sagt, im Foyer unten wird nach mir gerufen.

Er geht.

Frau Ruddigkeit dreht die Hand um und um. Die Haut auf dem Handrücken ist leberbraun, weich. Die Hand riecht nach Veilchen.

Mitfahren

Der Kapitän sagt, schickt die Frauen an Land.

Beim Steuermann ist eine Frau. Sie spielt mit zwei Mäusen. Der Steuermann hat zwei weiße Mäuse gekauft. Er sagt, was fressen sie bloß unterwegs. Die Frau sagt, Salatblätter. Sie setzt ihm die Mäuse auf die Schulter. Eine Maus schlüpft in den Rollkragen, die andere krabbelt ihm auf den Kopf.

Der Kapitän sagt zu der Frau, ab nach Hause.

Der Steuermann bringt die Frau an Land. Die Leiter zum Kai liegt fast waagerecht. Es ist Flut. Die Frau klettert auf allen vieren an Land. Sie sagt, ich möchte mitfahren.

Die Frau steht am Kai.

Der Steuermann steht auf dem Deck. Er sagt, nach drei Wochen komme ich wieder. Die Frau sagt, das kenne ich. Ich möchte mitfahren.

Der Steuermann geht in die Messe. Die Frau wartet. Sie hat dunkelblondes Haar und Dauerwelle. Sie ist vollschlank. Sie hat einen grünen Mantel mit Raglanärmeln an. Ihre Schuhe haben Pfennigabsätze. Sie wartet.

In der Fischhalle wird Seefisch abgewogen. Er wird in Polyesterwannen geworfen. Die Wannen sind weiß und gerillt. An einer Wand der Halle stehen die Wannen mit Seelachs, an der anderen die mit Rotbarsch. Eine Wanne faßt hundert Pfund. Die Wannen werden nach der Auktion zu Blocks gestappelt. Fünf mal fünf. Die Auktion findet am frühen Morgen statt. Jetzt stehen alle Wannen nebeneinander auf dem Boden. Die Halle ist grell erleuchtet.

Die Frau steht in dem Licht, das aus dem Hallentor fällt. Sie blickt sich rasch um. Sie klettert zurück an Bord.

Das Schiff fährt ab.

Der Steuermann sagt zu dem Kapitän, sie ist wieder da.

Der Kapitän sagt zu der Frau, das finde ich ein bißchen happig. In der Schleuse steigst du aus.

Die Frau sagt zu dem Kapitän, mein Mann ist bei Neufundland untergegangen.

Der Kapitän sagt, na, ob das stimmt.

Am Kai in der Schleuse steht ein Polizist mit einem Motorrad. Der Steuermann legt die Leiter aus. Die Frau klettert an Land. Sie ruft, ich möchte mitfahren. Der Polizist sagt, das kannst du haben.

Das Gefrierhaus

Der Filetiertisch

Montag

Die Platte ist fingerdick und aus durchsichtigem Kunststoff. Sie ist groß, rechteckig. Sie liegt auf einem eisernen Gestell. Die Platte liegt lose auf. Sie ist schwer.

Unter der Platte, die Längsseiten entlang, hängen in dem Gestell zwei Glaskästen, in denen je eine Neonröhre brennt. Die Platte erscheint dreigeteilt. Ein langes Drittel ist grellgelb, die Mitte weiß und matt, die gegenüberliegende Seite ist wieder gelb.

Die Platte ist trocken. Die Glaskästen, das Eisengestell sind trocken. Über die Platte flieht beißender Äther und zieht Tränen aus den Augen.

Dienstag

Die wachsfarbene Platte ist trocken. Sie ist befleckt. Die Glaskästen sind feucht, beschlagen. Die zerquetschten Tropfen zwischen ihren Deckelscheiben und der Platte sehen aus wie Amöben unter dem Mikroskop.

Die Platte ist naß. Auf dem dunkleren Mittelstreifen bilden sich Pfützen zu einem langen See.

Mittwoch

Die Platte ist hart. Über den belichteten Rechtecken ist sie zerkratzt.

Fischhaut, Schuppen, Flossenteile kleben auf der Platte, dem Gestell. Schwere Tropfen rinnen die eisernen Stangen hinab. Sie laufen unten zusammen und bleiben auf dem Boden stehen. Tropfen fallen von den Glaskästen.

Die Platte ist weich. Sie ist grau und verschmiert. Unter der Platte und über der Platte riecht es faul.

Donnerstag

Die Platte riecht wie ein Kühlschrank – offengelassen im Sommer. Die Kästen scheinen jetzt aus Rillenglas zu sein. Die Eisenbeine sind schleimig und rauh.

Freitag

Die reine, weiße, mattglänzende Kunststoffplatte lehnt an dem Gestell. Die Glaskästen sind offen und voll Seifenlauge. Die Neonröhren liegen in einem Korb und laufen ab. Naß und schwarz sind die Eisenbeine. Sie riechen nach Lux.

Die Wände und Böden der Glaskästen sind trocken und blinken. Die Neonröhren sind eingelassen. Sie sind dunkel. Die Deckel sind aufgelegt und werfen Gesichter zurück.

Poliert liegt die Platte auf dem Gestell. Sie ist kalt. Sie ist hart.

Die Eisenteile sind trocken. Rostfladen tauchen auf.

Sonnabend

Der Tisch wird mit Salmiak besprüht. Der Dunst macht die Augen feucht.

Die Gefrierpfanne

Sie ist hellgrau und aus Zink.

Sie ist fünfmalfünf Ellen groß und für einen Mann zu schwer.

Kommt sie aus der Frostkammer, raucht sie und hat eine Rinde aus hartem Schnee. Sie klebt an der Hand und nimmt Haut mit.

Ich bepacke sie mit Kartons voll Fisch.

Die Heringstonne

Sie ist schwer und voll Hering in Salzwasser. Die Nähte zwischen den Dauben sind naß. Sie sind dunkel wie die beiden eisernen Ringe. Ich ziehe den Stopfen heraus. Aus dem Loch sprudelt Beize, quillt Öl. Ich pumpe frisches Wasser in die Tonne.

Bei den neuen, im Hof gestapelten Tonnen riecht es nach Wald, nach aufgeschnittenen Bäumen. Es riecht nach Nadeln, Moos, Beeren.

Die Tonnen kommen mit dem Schiff aus Norwegen. Zerspringen die oberen Reifen, sehen sie aus wie offene Hände mit krummen Fingern. Diese Sterne und einzelne Strahlen, Ringe und Bandeisen werfe ich in den Schuppen.

Hering packen

Der Hering ist geköpft und entgrätet. Die Filets sind so groß wie ein Gesicht, doch zusammengeklappt. Ich biege sie auf, ich drücke sie platt, ich packe sie ein. Die silberblauen Rücken gehören nach unten. Das hellbraune Fleisch ist oben.

Ich packe den Hering in Kartons – zwei Ellen lang, eine Elle breit. Ich wiege ihn ab. Zehn Kilo faßt ein Paket.

Fischöl, von der Farbe alten Goldes, sammelt sich auf dem Tisch. Gelbe Flecken auf dem Rücken des Herings, sie blenden. Sie stechen in die Augen.

Die Zeit vergeht nicht.

Draußen ist Sturm.

Hering aufbiegen, plattdrücken, einpacken, abwiegen. Meine Unterarme sind mit glitzernden Schuppen übersät. Sie kleben wie Tesafilm und hinterlassen kleine Kreise.

Denkt man nicht an die Uhr, geht die Zeit vorbei.

Der Sturm schreit, jammert, pfeift. Er nimmt die Fensterkreuze ab und trennt das Haus auf. Die Felswand gegenüber der Bucht ist verschleiert. Ich möchte in der Sonne sein.

Die Gummihandschuhe

Sie sind blau, orange, gelb.

Alle Finger sind steif. Sie stehen voneinander ab. Die Innenflächen sind gekräuselt, damit die Fische nicht wegrutschen. Die langen Stulpen sind gerillt. In den Gummi sind Rillen gepreßt.

Bevor ich die Handschuhe anziehe, schütte ich Puder hinein. Er soll den Schweiß aufsaugen. In Berührung mit dem gefrorenen Fisch werden die Gummihandschuhe kleiner. Sie kneifen.

Das Fischfilet

1.

Es kommt unter anderen in einer Stahlwanne auf dem Fließband an. Es kommt in einer Zehnkilowanne und schwimmt im eigenen Saft.

Dort, wo Schuppen auf der Haut saßen, als zwei Filets noch einem Fisch gehörten, ist jetzt eine durchsichtige Pelle – wie zwischen Ei und Schale.

Die Filetiermaschine hat den Fisch halbiert. Sie hat ihn aufgeschnitten und die Mittelgräte herausgelöst. Eine Kette aus Reibeisen hat ihm die Schuppen abgerieben. Sie ist ihm gegen den Strich gegangen.

2.

Es ist handtellergroß. Es ist doppelhandgroß und schwammig.

Es zerfällt in Blätter, von einer roten Sehne zusammengehalten.

Runde, konvexe Scheiben aus Fischfleisch.

Dicke Blätter fallen ab.

3.

Sein Geruch erinnert an Solbäder, an die Schubladen der Drogerien, in denen Heilerde liegt.

4.

Es ist naß. Es ist armlang und wiegt einen Hammelkopf auf.

Ich schneide die Blutgerinnsel und die Würmer heraus, begradige es, wo das Fleisch ausfranst.

Die Schneide meines Messers ist dreifingerlang und einen halben Finger breit. Sie sieht aus wie eine gewalzte Stricknadel und rostet nicht. Ich löse mit einem Schnitt Hecken aus Fett vom Rand ab.

5.

Es ist an einem Ende spitz, am anderen breiter, dicker. Es ist eingebuchtet, wo der Fisch Kiemen hatte. Es ist kein Fisch. Es hat keine Schnute, weder Schuppen noch Gräten. Es ist frei von Innereien.

Haushalte führen manchmal Puddingformen, die einen Fisch darstellen. Das Filet stellt keinen Fisch mehr dar. Es ist immer dieses triefendnasse, saftablassende, lange matschige Stück blassen Fleisches. Es soll gegessen werden.

Hummer brechen

Ich breche den Hummer hinter dem zweiten Panzerring. Ich drücke das Fleisch vom Schwanz her aus dem beweglichen Rohr. Mit einem kleinen Messer, dessen Schneide nageldünn und fingerlang ist, kratze ich Sand ab und löse den braunen Mittelfaden heraus, den Darm.

Der geschälte Hummerschwanz ist weiß, mit einer rosanen Pelle überzogen. Er ist seidig, schlaff. Ich spüle den Hummerschwanz und lege ihn zum Abtropfen in ein Sieb.

Manchmal ist unter dem Bauch aus Pergament dunkelgrüner Rogen, ein Löffel voll grüner Rogen.

Die Schale des Schwanzes ist rot, orange oder zitronenfarben. Am Ende ist sie ein Fächer aus fünf behaarten Blättern. Die leeren Schalen in der Wanne rascheln wie Stroh.

Arbeitnehmer – Arbeitgeber

Dem das Gefrierhaus gehört, der nimmt meine Arbeit. Er nimmt sie mir ab.

Ich, da mir nichts gehört, gebe ihm meine Arbeit. ER ist der Arbeitnehmer. Der ArbeitGEBER bin ich.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber – an seinem lodengrünen Tisch begegnen wir uns mit vertauschten Namen und taxieren uns.

Durchzug

In der Halle riecht es nach Salmiak. Letzte Nacht sind zwei Gallonen mit Salmiak gesprungen. Die Fenster sind offen.

Ich sehe, wenn ich aus dem Fenster blicke, Dächer – rote, grüne, silbergraue Dächer aus Wellblech. Hinter den Dächern steigt eine Felswand auf. Vögel wimmeln auf ihren Vorsprüngen.

Es fliegen keine Vögel um das Haus. Die Fenster sind offen. Es zieht durch.

Das Licht

Es macht Gegenstände sichtbar.

Es kommt in einem Draht ins Haus. Es fällt aus einer gläsernen Kugel, weiß und weich wie Milch. Es fließt. Ich kann es nicht anfassen.

Bei Sturm verlischt es.

Der Draht ist mit Salz umwickelt. Salz haftet an der Leitung und überzieht sie mit einer harten Schale. Es schluckt die fließenden Teile des Lichtes, aus denen das Licht besteht. Der Draht ist steif und funkelt. Er durchschneidet die Luft.

Bevor das Licht ausgeht, zucken Blitze aus den Porzellanköpfen, die den Draht an Pfählen festhalten.

Bei Sturm ist es dunkel im Haus.

Der Schlafsaal

An seinen Wänden stehen Doppelstockbetten. Seine Tische sind mit glühenden Nägeln beschrieben. The Beatles. Auf dem Spiegel über dem Waschbecken sind Finger abgedrückt. An die Schranktüren sind ausgeschnittene Bilder geheftet von langhaarigen Knaben.

Sonntags liegt in jedem Bett ein Paar.

Das Wasser

Es gibt auf der Insel keine Brunnen.

Wir leben von Regenwasser. Wir lassen es aus den Dachrinnen in große Kessel laufen. Wir sammeln es im Keller.

Das Wasser riecht wie alte Blumensträuße. Es ist lau-warm und gelb. An stürmischen Tagen schmeckt es nach Salz.

Der Rabe

Er hockt auf dem Zaunpfahl und knarrt.

Er hat die Beine angezogen und sieht aus wie eine umgekippte Flasche. Er ist schwarz, ist blau, leuchtet wie Tinte. Er knarrt.

Kinder, die sich im Schnee verlaufen, lockt er nach Hause, indem er sich verstellt. Er gebärdet sich flügellahm. Die Töne, die er anschlägt, sind sehr hoch.

Auf jedem Pfahl kauert ein Rabe. Sie fliegen in Paaren auf, kreisen paarweise. Ein Paar begleitet mich auf dem Weg zur Lagune.

Die südliche Bucht

Sie ist ein grünes, schaumiges Tablett, wenn die gebrochenen Wellen einströmen, ein Steinfeld, wenn sie abziehen.

Sie ist zwischen Lavahalden ein flacher Teller, die Seite zum Meer hin ist abgeschlagen und führt in die Tiefe. Ein Bruch unter Wasser zerschlägt die Wogen.

Die Bucht ist knietief.

Die südliche Bucht hat drei Wände aus Schotter und eine Wand aus sprühendem Wasser – das ist die Brandung.

Der Vogel Lündi

Er ist eßbar.

Dem Schnabel – gestreift wie ein Zebra – gehört ein Drittel des Kopfes. Der Bauch des Vogels ist weiß. Der Vogel hat einen schwarzen Rücken, schwarze Flügel, einen schwarzen Hals. Doch sein Bauch ist weiß.

Der Köcher, mit dem ich den Vogel fange, ist eine Gabel aus Holz und mannslang. Zwischen den beiden Zinken hängt das Netz, in dem sich der Vogel verwickelt.

Ich fange ihn nicht bei Windstille. Ich fange ihn nicht bei Sturm. An Regentagen am Abend geht er ins Netz. Er fliegt in der Dämmerung. Er bevorzugt Schatten. Ich stelle den Köcher in seine Flugbahn, dann töte ich ihn und binde ihn an meinen Gürtel.

Gerupft, gedreht in Salz und Gewürzen, schmeckt er, wenn er lange in Essig lag.

Der Obsidian

Er ist schwarz. Er sieht aus wie Glas.

Er ist ein Stein, undurchsichtig und gläsern.

Er fließt aus Vulkanen, die das Eis durchbrechen. Ich finde ihn am Fuß der Gletscher.

Der Obsidian ist ein schwarzer Strom, der erkaltet, hart wird, platzt. Der Grus, der ihn geschliffen hat, ist verflogen.

Ich wasche die Steine und trockne sie ab. Die nußgroßen Körner klappern.

Die Tuffbreksie

Sie ist ein Gebäck aus Sand.

Schwarze und graue Splitter in zusammengeballter Asche. Steine – eingebettet in rostroten Staub.

Der Möwenfriedhof

Die steilabfallende Wand hat einen Treppenabsatz, einen Balkon ohne Gitter, waagerecht, mit Salz und Wind gescheuert und in der Mitte ausgehöhlt. In der Wanne ist tangfarbene Grütze. Von oben sieht diese Stufe über dem Wasser grün aus.

Auf einem Steg – schmal wie ein Handgelenk – bewegen sich kranke Möwen. Der Steg ist so schmal, daß sie nicht umkehren können. Sie gehen auf die steinerne Wanne zu. Sie gehen freiwillig.

Die Wanne liegt im Schatten, über Ebbe und Flut. Die Möwen auf dem Grat rutschen, schleifen, schrammen, schlittern, torkeln. Eine von ihnen liegt auf dem Bauch und stößt sich mit den Füßen ab. Keine fällt herunter.

Sie sitzen am Rand der überfüllten Kuhle. Sie wiegen sich. Sie neigen sich vornüber. Die grüne Decke zuckt und schlägt Blasen. Sterbende Möwen sinken langsam.

In der Wanne, in der Grütze verwesen ihre eisweißen Flügel, ihre Stirnen, Augen, Schnäbel. Ihre Füße werden lang und zerfallen.

Die lebenden Möwen fliegen um den Berg. Sie quietschen wie ungeölte Türen.

Teppichweberei