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Inhalt

[Cover]

Titel

Frau Hoffmanns
neue Erzählungen

Deutsch-französische Freundschaft:
Ein Katzensprung

Die schwarzweiße Mieze

Hunde, wollt ihr ewig wählen

Soziale und frugale Gerechtigkeiten

Hunde im All und Katzen in Sibirien

Außerirdische contra Papst

Der Hund stammt vom Affen ab

Das schmeckt nach Harmonie

Von wegen sechster Sinn!

Heilige Frau Hoffmann

Erinnerung macht nicht satt

Antworten auf die deutsche Frage

Berliner Kaiserschmarrn

Der Chor der Bienen

Pauschal gegen Stadtflucht

Türkisches Brot und Katzenkuchen

Kinder, Kinder

Stalins Geheimwaffe

Vom Preis der Mobilität

Die Katze spinnt

Von großen Frauen und zu großen Männern

Eine Mausefalle für die Kultur

Miezburger Zaubersprüche

Verlorene Gene und andere Tücken

Ohrfeigen auf Bahnsteig 3

Miss Wirtschaft und die »Paris Bar«

Schnurrender Spion

Sparen und trotzdem feiern

Alle Macht den Katzen

Alles für die Kröt’!

Katzen würden Merkel wählen

Schokolade vor die Hunde

Vorsätze statt Böller

Auf den Spuren Marco Polos

Klingeltöne und andere Botschaften

Alle Macht den Frauen

Bomben auf Paläste

Maulwürfe bei der WM

Die Tücke der Opposition

Dein Freund, der Baum

Liebe und Maschinenpistolen

Nie wieder Gammelfleisch

Das Jahr des Hot Dogs

Pressefreiheit für Katzen

Fischmühlen in Worpswede

Berliner Luft

Nach Berlin: Ein Katzensprung

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

[Leseprobe – Katzenleben]

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Frau Hoffmanns
neue Erzählungen

Deutsch-französische Freundschaft:
Ein Katzensprung

»Ob es am Wetter liegt?«

»Ob was am Wetter liegt?«

»Daß ich so müde bin …«

»Das kann nur am Wetter liegen. Du hast dich ja überhaupt nicht angestrengt. Hast dich nicht rumgetrieben, bist keinen Baum raufgeklettert, hast keine Maus gejagt …«

»Pah! Als ob das anstrengend wäre. Ein Schlag mit der Pfote – und voilà!«

Sie ist jetzt schon viele Wochen in der Drôme, daher ihre Angewohnheit, französische Begriffe in ihr Miau einzuflechten.

»Ich glaube, ich vertrage das Klima nicht«, kommt Frau Hoffmann auf den Anfang ihrer Wortmeldung zurück. »Immer Mistral, und kein Regen. Das geht einem auf die Brekkies.«

»Wie wär’s mit einem Klimawechsel?« frage ich so beiläufig wie möglich.

Sie zuckt nervös mit dem Fell: »Du meinst – abreisen?«

Frau Hoffmann fürchtet sich nicht vor den Jagdhunden mit ihren Flöhen. Sie ignoriert Tiefflieger, Hornissen und Besucher. (»War das wieder ein Pöbel oder nur Verwandtschaft?« fragt sie, wenn die wieder verschwunden sind.) Aber Autofahren haßt sie über alles in der Welt. Sogar im Kleinwagen, in dem wir sie einmal im Jahr zum Veterinär bringen, stellt sie sich an wie der französische Adel auf dem Henkerskarren. Beim jährlichen Ortswechsel über 800 Kilometer Autobahn aber jammert und brüllt sie, daß es uns peinlich ist, wenn wir andere überholen. Manche Autofahrer haben einen Aufkleber am Auto: »Baby an Bord«. Ich habe jedoch noch nie ein Baby so schreien hören, wie Frau Hoffmann ihren Weltekel artikuliert. Man könnte glauben, sie imitiert deutsche Rock-Gruppen.

»Wie war das mit dem Klimawechsel? Heißt das …«

Ich gebe zu, sie hat Grund, mißtrauisch zu sein. »Sieh mal«, beginne ich vorsichtig, »jetzt beginnt hier der Herbst. Da wird es furchtbar langweilig für dich.«

»Langweilig ist es auch in Deutschland!«

»Vielleicht in diesem Herbst ausnahmsweise einmal nicht. Wir kriegen nämlich eine neue Regierung …«

Sie gähnt: »Ja. Steht täglich in den Zeitungen von gestern.«

Wenigstens kommt hier nicht auch das Fernsehen mit einem Tag Verspätung. Wir würden sonst über den Unterschied zwischen Brutto und Netto erst aufgeklärt, wenn sich in Deutschland kein Hund mehr dafür interessiert.

»Hast du gerade ›Hund‹ gedacht?« fragt sie mißtrauisch. Bei gewissen Themen kann sie Gedanken lesen. »Um Gottes willen, nein!« beschwichtige ich sie. »Ich dachte an Frau Merkel.«

Sie versammelt ihre Pfoten unter der Halskrause und rollt sich zum Schlafen zusammen. »Habe ich doch gesagt: furchtbar langweilig.«

Was wir in diesen Wochen nicht gebrauchen können, sind unpolitische Zeitgenossen. Frau Hoffmann besitzt zwar keinen deutschen Paß, hat aber ihren Anteil an der deutsch-französischen Freundschaft; sie ist in der Drôme geboren. Einmal brachte sie den Kanarienvogel des Bürgermeisters an. Er wohnt gleich nebenan und ist ein Anhänger Le Pens. Da haben wir diskutiert, welche Auswirkungen die EU auf die Zukunft des gelben Vogels haben würde. Frau Hoffmann hatte dabei für die freie Wahl des Arbeitsplatzes plädiert und sich gegen Einflugbeschränkungen für Kleingeflügel ausgesprochen. Der Kanari ist leider währenddessen verstorben.

Wer würde freiwillig auf einen so luziden Verstand verzichten, wenn es darum geht, eine neue Regierung zu installieren? Warnte nicht jemand, die Zukunft Deutschlands stehe auf dem Spiel? Da darf eine schlaue Katze nicht fehlen.

»Frau Hoffmann«, sage ich deshalb mit der mir zur Verfügung stehenden Autorität, »übermorgen fahren wir.«

Die schwarzweiße Mieze

Frau Hoffmann ist eine schöne Katze, aber manchmal denke ich, ein bißchen Eitelkeit würde ihrer Schönheit nützen. Zum Beispiel wie sie jetzt in der Küchentür sitzt, bräsig wie Kohl und graziös wie Merkel. Das ließe sich doch verbessern! Aber sie denkt wohl nur an die Makrelen im Kühlschrank und wie sie seine Tür durch Hypnose öffnen kann. Darüber vergißt sie völlig, auf ihre Haltung zu achten. Wenn ihr Gesicht nicht von so unendlicher Schläfrigkeit gekennzeichnet wäre, könnte man vermuten, es gäbe für sie nichts anderes auf der Welt als die Fische im Gemüsefach. Wahrscheinlich ist es wirklich so, daß ihre Pfründe ihr wichtiger sind als das Verschwinden der Alpengletscher.

Aber ich habe sie wieder einmal unterschätzt. Sie verdreht das linke Hinterbein auf groteske Weise und fragt: »Wenn unsere transatlantische Freundschaft wieder so herzlich wird wie vor dem Einmarsch, besucht uns dann die schwarzweiße Mieze öfter?«

Über den amerikanischen Einmarsch im Irak ist sie so gut informiert wie über die Nistplätze der Amseln. Und mit der schwarzweißen Mieze ist Condoleezza Rice gemeint. Sie findet sie wunderbar, hält sie für eine verkleidete Katze. »Wenn die doch Kanzlerkandidatin wäre«, maunzte sie kürzlich, als Mrs. Rice im Fernsehen auftrat. Ich habe schleunigst das Fenster geschlossen. Auf der Straße wimmelt es von der schwarzen Mehrheit, die sich nichts Schöneres vorstellen kann als einen Kanzler namens Angie. Die will ich nicht unnötig provozieren. Der Knabe einer Nachbarin ist in der Schule verprügelt worden, bloß weil er Oskar heißt. (Unsere Nachbarschaft besteht aus Familien mit 3 Autos, 2 Kindern und 1 Konto in Luxemburg.)

»Und mindestens einem Hund«, setzt Frau Hoffmann hinzu, die sich wieder mal im Gedankenlesen übt. Ich nicke: »Und niemand redet davon, die Hundesteuer zu erhöhen!«

Sie zuckt ärgerlich mit dem Schwanz: »Diese Regierung muß weg!«

»Jawohl!« stimme ich ihr zu. »Oder eine höhere Mehrwertsteuer muß her; sofort!«

»Warum die?«

»Weil dann auch Hundefutter teurer wird. Und Hundeshampoo. Überhaupt alles, was ein Hund so braucht.«

»Wozu braucht ein Hund Shampoo?«

»Hunde müssen ab und zu zum Hundefriseur, wo ihnen das Fell gewaschen wird.«

»Und warum wird ihnen das Fell gewaschen?« fragt Frau Hoffmann, die ihr Fell selber wäscht und überhaupt sehr viel Zeit mit ihrer Körperpflege verbringt.

Eine schwierige Frage. Erkläre ich ihr, daß Hunde stinken, wenn sie nicht zum Friseur gehen, sind alle beleidigt, die auch nicht zum Friseur gehen. Sage ich aber, daß sogar ein Hund schöner aussieht, wenn er sich das Fell waschen läßt, ist Frau Hoffmann beleidigt, weil sie sich nie waschen läßt. Ich suche ein populäres Beispiel.

»Du siehst doch auch Wahlsendungen im Fernsehen. Fallen dir an den Kandidaten keine Veränderungen auf?«

Sie denkt nach. Das heißt, sie kratzt sich am Hals, putzt eine Pfote und bürstet ihren Schwanz. Dann sagt sie: »Claudia Roth hat neue Kleider.«

»Gut beobachtet!« lobe ich sie.

»Und Lafontaine trägt keine Krawatte.«

»Richtig! Er solidarisiert sich mit den Unterschichten.«

»Gibt es davon mehrere?«

»Und ob! Häuslebauer, Pendlerpauschalisten, Schwarzarbeiter, Steuerflüchtlinge, Mautverweigerer …«

»Was verweigern die?«

»Steuern zahlen, wie alle: Autobahnsteuer, Erbschaftssteuer, Reichensteuer, Umsatzsteuer, Vergnügungssteuer, Ökosteuer, Einkommensteuer, Mehrwertsteuer, Kirchensteuer, Sektsteuer …«

»Hundesteuer …«, fällt sie mir ins Wort.

Typisch Katze. Während unsereins die Probleme der Gesellschaft im Auge hat, hofft sie nur, daß es den verhaßten Hunden schlechtgeht. Sie würde bedenkenlos FDP wählen, wenn dadurch das Hundefutter teurer wird.

Hunde, wollt ihr ewig wählen

»Ist es wahr, daß sie Hunde klonen?«

»Unsinn. Einen einzigen Hund haben sie geklont, und es waren Koreaner, die es taten.«

»Kann man auch Koreaner klonen?«

»Wahrscheinlich. Aber nicht am Sonntag.«

»Und warum sonntags nicht?« Wie immer, wenn es um Hunde geht, ist Frau Hoffmann hellwach. Sie sitzt angespannt wie ein Tiger, der durch einen brennenden Reifen springen soll. Ich hingegen bin schläfrig vom Wein zum Mittagessen: »Weil Gott am Sonntag auch nicht gearbeitet hat.«

Sie überlegt. Kratzt sich also, putzt sich, bürstet ihren Schwanz. Dann fragt sie:

»War Gott in der Gewerkschaft?«

Endlich mal eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Papst-Hype noch nicht gestellt wurde. Ein Fall für Ratzinger.

»Wäre er in der Gewerkschaft gewesen, wäre die Welt noch nicht fertig.«

»Weil er polnischen Klempnern und chinesischen Gärtnern die Mitarbeit verweigert hätte?«

»Genau!« (Wie sie die Zusammenhänge durchschaut! Schlaue Katze.)

»Bist du auch in der Gewerkschaft?« (Blöde Katze. Sitzt den ganzen Tag auf meinem Arbeitstisch und zählt die Stunden nicht.)

»Ich bin ein Intellektueller, und Intellektuelle sind nicht in einer Gewerkschaft.«

»Du kannst also klempnern und Bäume pflanzen?« Und als ich ihre aufkommende Bewunderung dämpfe, setzt sie nach: »Kannst du auch Hunde klonen?«

Immer nur Hunde. »Gibt es für dich kein anderes Thema?«

»Wieso? Schließlich ist die Hundeplage hierzulande größer als die Heuschreckenplage, vor der Häuptling Roter Schal immer warnt.«

Kann es sein, daß Frau Hoffmann recht hat? Von Zeit zu Zeit fängt sie zwar eine Heuschrecke, die sie mit Genuß frißt. Hunde hingegen verspeist sie schon zum Frühstück, da unterscheidet sie sich nicht vom Springer-Verlag, nur daß man dort Sozialisten bevorzugt.

Nach einer Schweigeminute setzt sie das Verhör fort.

»Du bist also ein Intellektueller. Woran erkennst du das?«

»Wie ich schon sagte: Ich bin nicht in der Gewerkschaft. Ich bin nicht rentenberechtigt und habe immer die falsche Partei gewählt.«

»Aber Intellektuelle sind doch alle in der Partei des Kanzlers und gehen in Berlin ein und aus. Wann warst du denn das letzte Mal in Berlin?«

»Du solltest dich daran erinnern. Wir waren damals zusammen in Berlin …«

»Richtig. Wir wohnten über dieser Baustelle, wo nicht gebaut wurde.«

»Ist inzwischen fertiggebaut.«

»Potztausend! Ist das Schloß auch wiederaufgebaut?«

»Noch gar nicht angefangen. Die suchen noch nach einem Backenzahn von Kaiser Wilhelm.«

»Ja, in Berlin hat es mir gut gefallen. Vor allem diese fabelhafte Fußbodenheizung! Haben alle Berliner so eine?«

»Aber ja doch. Das ist der Grund, warum sie sich so ungern abwählen lassen.«

»Kann ich verstehen. Um so mehr wundert’s mich, daß du nicht auch in Berlin bist bei deinen intellektuellen Kollegen, den Malern und Friseuren.«

»Eine Fußbodenheizung haben wir auch hier. Sie ist nur nicht eingeschaltet.«

»Warum denn nicht, um Himmels willen?«

»Weil sie falsch installiert wurde; übrigens von einem polnischen Klempner.«

»Und warum hast du keinen deutschen genommen?«

»Sie sollte noch vor dem Winter fertig werden.«

Frau Hoffmann springt vom Tisch auf die Fensterbank, wobei sie einige Papiere in den Abgrund schickt, darunter die Ölrechnung. »Es wird ein kalter Winter werden«, sage ich mehr zu mir als zur Katze und krieche unter den Tisch. »In einem besseren Deutschland«, fügt sie hinzu, die an die Wahlpropaganda der Parteien glaubt.

»Was soll daran besser sein, wenn ich die Ölrechnung nicht bezahlen kann?« Ich wedele mit dem fraglichen Dokument in ihre Richtung.

»Wenn sie dein Geld nicht kriegen, können sie ihre Haßprediger nicht mehr bezahlen!«

»Das glaubst du! Aber die sind nicht in der Gewerkschaft und predigen auch umsonst.«

»Schön blöd …«, sagt Frau Hoffmann und outet sich damit als sozialistischer Schläfer.

Soziale und frugale Gerechtigkeiten

Wir sitzen beim Essen. Es gibt Ölsardinen mit Toast, Safranrisotto und gebackene Sellerieschnitten. Ein frugales Mahl, dem sonnigen Herbsttag angemessen. Für ebenso passend halte ich den Viognier 2002 aus dem Rhônetal. Frau Hoffmann sitzt, wie immer, mit am Tisch. Sie hat vorher was gekriegt. (Brekkies und Stinkmatsch aus der Dose, danach Wasser.) Deshalb ist sie jetzt satt und verfolgt nicht jeden Bissen, den wir uns in den Mund stecken, mit gierigen Blicken. Sie liegt auf einem Stuhl und geht ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, sie schläft.

Wir unterhalten uns über die Chancen, die Lafontaine und Gysi beim Wahlvolk haben. (Wähler und Wählerinnen, wie es politisch korrekt genannt wird.) Plötzlich meldet sich Frau Hoffmann zu Wort: »Sie versprechen soziale Gerechtigkeit. Das ist doch Schwachsinn!«

»Wieso ist das Schwachsinn? Sie ist das höchste Gut der Menschheit!« protestiere ich.

»Ich dachte, das wären eure Autos.« Sie stemmt sich auf ihren Beinen hoch, macht einen Buckel und legt sich wieder hin. »Bist wohl ein Altachtundsechziger, wie?«

Da ich gerade ein Stück Sellerie im Mund habe, das mit einem Schluck Wein hinuntergespült werden muß, kann ich auf ihre Unterstellung nicht reagieren. Statt dessen redet sie weiter: »Wo war denn die soziale Gerechtigkeit, als Noah die Tiere in seinen Kahn lud? Von jeder Spezies nur ein Paar. Den Rest ließ er ersaufen. Eine schöne Gerechtigkeit ist das!«

»Es war wohl nicht genug Platz für alle!«

»Außerdem hat er zwei Hunde mit an Bord genommen. An deren Stelle hätten hundert Mäuse mitfahren können.«

»Genau dafür kämpfen Lafontaine und Gysi: Mehr Mäuse für alle. Das muß doch in deinem Sinne sein!«

»Bist du verrückt? Mäuse für alle ist eine verhängnisvolle Utopie. Mäuse sind den Katzen vorbehalten. Das ist ein Naturgesetz! Wer daran rüttelt, versündigt sich.«

»Und was sagen die Wölfe dazu? Die lieben Mäuse ebenso wie du.«

»Das sind unangenehme Minderheiten, die ihre Extravaganzen auf Kosten der Allgemeinheit ausleben wollen. Warum fressen sie keine Fische wie die Bären?« Sie wirft einen lüsternen Blick auf unsere Ölsardinen.

»Weil sie keine Bären sind!«

»Ich bin auch kein Bär. Trotzdem fresse ich von Zeit zu Zeit gern ein Fischlein.« Sie reckt ihren Hals und fixiert die Ölsardinen so aufdringlich, daß ich sie an die Hausordnung erinnern muß, wonach am Tisch nicht um Futter gebettelt werden darf. Dann zeige ich auf die weitgeöffnete Terrassentür: »Da hinten im Garten habe ich heute morgen wieder den kleinen, dünnen Kater gesehen, der offenbar keinen festen Wohnsitz hat. Der weiß bestimmt nicht einmal, wie Ölsardinen überhaupt schmecken. Und du wirst von Tag zu Tag dicker von all den Delikatessen, die du frißt. Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit?«

»Gibt es nicht. Habe ich doch gesagt. Eine Illusion.«

»Na, wenn sich das herumspricht, haben Gysi/Lafontaine keine großen Chancen.«

»Ach, die, die werden doch nur von proletarisierten Kindesmör …«

Ich habe ihr eine Ölsardine zugeworfen, ein krasser Verstoß gegen unsere Tischordnung. Aber wie hätte ich sie zum Schweigen bringen und verhindern können, daß morgen früh ein paar Lauschangreifer vor der Tür stehen? Diese Schlapphüte haben todsicher ein paar dünne Kater unter Vertrag, die ihnen jedes gemaunzte Wort übersetzen. Denn auch wenn bei uns die soziale Gerechtigkeit noch nicht voll entwickelt ist, Denunzianten gibt es schon lange. Oder, wie es politisch korrekt heißen muß, Denunzianten und Denunziantinnen.

»Das ist ja so«, hat Frau Hoffmann einmal diese populistische Heuchelei kommentiert, »als würde der Wolf zwischen Kater und Kätzin unterscheiden. Daß er im Wahlkampf Kreide frißt, ist schon lächerlich genug.«